Abgasbelastung: Audi und BMW wollen umrüsten

28.6.2017, 17:51 Uhr
In Verruf geraten: Wer Diesel tankt, dem könnten bald Fahrverbote drohen.

© Stefan Hippel In Verruf geraten: Wer Diesel tankt, dem könnten bald Fahrverbote drohen.

Zur Abwendung drohender Diesel-Fahrverbote wollen die bayerischen Autohersteller Audi und BMW die Hälfte ihrer in Deutschland zugelassenen Euro-5-Dieselautos technisch nachrüsten. Das sagte Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Mittwoch in München nach einem Treffen mit den Vorstandschefs von Audi, BMW und dem Lkw-Hersteller MAN. Damit soll der Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide gesenkt werden.

Nähere Einzelheiten zu den Nachbesserungen oder zur Frage der Finanzierung nannten die Autobauer noch nicht. Umweltschutzverbände sprachen von einer Scheinlösung.

Die Nachrüstung ist Teil eines Bündels von Maßnahmen und Vorschlägen, mit denen Bayern die bundesweite Vorreiterrolle übernehmen will. Die Staatsregierung erwartet, dass die Nachrüstung für die Autobesitzer kostenlos ausfällt. "Meine Zielsetzung ist, dass der Kunde gar nichts zahlt", sagte Aigner.

Einheitliche Lösung ist notwendig

Doch mit BMW und Audi ist das noch nicht schlussendlich ausgehandelt. Nach Angaben von BMW sind 700.000 Euro-5-Diesel des Autobauers in Deutschland zugelassen, von denen mindestens 350.000 nachgerüstet werden könnten. Von Audi gab es zunächst keine Zahlen. BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter betonte, man erwarte ein klares Signal von der Politik, das die Unsicherheit der Kunden beim Diesel beseitigt. Notwendig sei eine national einheitliche Lösung.

Aigner bezifferte die Gesamtzahl der Euro-5-Diesel in Deutschland auf 5,9 Millionen - das seien 12,9 Prozent aller zugelassenen Pkw. Die Staatsregierung hofft darauf, dass die nicht in Bayern ansässigen Autohersteller nachziehen. "Ich gehe davon aus, dass es ein deutliches Commitment des Verbands der Automobilindustrie geben wird", sagte Aigner.

BMW und Audi wollen im Rahmen der großen Nachrüstungsaktion die Motor-Software aktualisieren. Welche Fahrzeuge modernisiert werden, entscheiden die Hersteller - sie sollen dann Kontakt mit den Autobesitzern aufnehmen. Die drei Vorstandschefs Harald Krüger (BMW), Rupert Stadler (Audi) und Joachim Drees (MAN) wollten an der Pressekonferenz nicht teilnehmen und ließen sich lediglich in der Pressemitteilung zitieren. "Wir meinen, es gibt intelligentere Optionen als Fahrverbote", sagte Krüger demnach.

Staatsregierung fordert einen Steueranreiz

Drees sagte zu, Ende 2019 mit der Serienproduktion eines elektrischen Stadtbusses zu beginnen. Die Staatsregierung will in Bayern unter anderem den öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn stärker fördern und ihre Zuschüsse für neue Elektro-Ladesäulen aufstocken. "In der Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs besteht das größte Potenzial", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Mit den bayerischen Kommunen will Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) einen "Green City Pakt" abschließen. Auf Bundesebene fordert die Staatsregierung einen Steueranreiz für die Besitzer älterer Diesel mit Euro-3- und Euro-4-Motoren, um sie zum Wechsel auf ein Auto mit weniger Schadstoffemissionen zu motivieren.

Vor der Bundestagswahl wird sich jedoch in dieser Hinsicht nicht viel tun: "Das wäre eine Frage, die wir in die Koalitionsverhandlungen einbringen würden", sagte Aigner. Würden alle Vorschläge umgesetzt, ließen sich die Stickoxid-Emissionen deutschlandweit nach Einschätzung der Staatsregierung bis 2021 um 50 Prozent reduzieren. Diesel von der Straße verbannen wollen Seehofer und sein Kabinett nicht. "Wir wollen keine pauschalen Einfahrverbote", betonte Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU).

Deutsche Umwelthilfe drohte Seehofer

Seehofer hatte das Gespräch in der Staatskanzlei angesetzt, nachdem der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Überlegungen über ein Diesel-Fahrverbot in der Landeshauptstadt angestellt hatte. Gegen Fahrverbote ist aber auch die IG Metall. "In Bayern hängen über 400.000 Arbeitsplätze direkt am Fahrzeugbau. Um diese Arbeitsplätze zu halten, muss Bayern führend bei den Umwelttechnologien rund ums Auto werden", sagte der bayerische IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Wechsler. Er forderte einen "Zukunftspakt Automobil Bayern".

Die Grünen verlangten eine bessere Infrastruktur mit Ladestationen für Elektroautos. "Bei Seehofers Autogipfel sollte auch die Stagnation bei der E-Mobilität zur Sprache kommen. Hier sind CSU-Regierung und Autoindustrie weit im Verzug", kritisierte der Landtagsabgeordnete Markus Ganserer. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher warf sowohl Staatsregierung als auch Herstellern Versäumnisse vor und plädierte für die Einsetzung eines "Transformationsbeirats", der den allmählichen Abschied vom Verbrennungsmotor begleiten soll.

Die Deutsche Umwelthilfe drohte Seehofer und der Staatsregierung mit einem Zwangsgeld, wenn der Freistaat nicht an diesem Donnerstag ein Gutachten über die Belastung der Atemluft in München veröffentlicht. Die Frist für die Veröffentlichung hatte die Umwelthilfe vor dem Verwaltungsgerichtshof erzwungen.

Der Bund Naturschutz in Bayern kritisierte die Vereinbarung mit den Autoherstellern: "Sie ist eine Verhöhnung der unter den erhöhten Abgaswerten leidenden Menschen und zeigt wieder einmal die unselige Verquickung der bayerischen Staatsregierung mit der Automobilindustrie zum Schaden der Umwelt und einer zukunftsfähigen Mobilität." Software-Updates könnten weder die Luftqualität verbessern noch die Gesundheitsbelastungen abwenden.

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace sprach von einer "Mogelpackung" und kritisierte: "Herr Seehofer und die Autoindustrie versuchen weiter Zeit zu schinden, um Fahrverbote zu verhindern."

Der Artikel wurde um 17.51 Uhr aktualisiert.

14 Kommentare