Altersarmut: Ein Symptom, zahlreiche Ursachen

27.6.2017, 06:00 Uhr
Quo vadis, Deutschland? Altersarmut wird in den kommenden Jahrzehnten zu einem riesigen Problem für die Bundesrepublik.

© dpa Quo vadis, Deutschland? Altersarmut wird in den kommenden Jahrzehnten zu einem riesigen Problem für die Bundesrepublik.

Altersarmut ist bitter für die Betroffenen. Besonders, wenn sie Kinder großgezogen und deshalb nur stundenweise gearbeitet haben. Oder wenn sie in einem Beruf tätig waren, der einfach schlecht bezahlt ist. Oder das Pech hatten, frühzeitig so schwer zu erkranken, dass sie einfach keinen Job mehr bewältigen konnten.

Altersarmut ist aber, das zeigt die Bertelsmann-Studie, auch ein politisches Lehrstück: denn sie hat einen jahrzehntelangen Vorlauf. So weit aber denkt Politik in aller Regel nicht; beim Wähler zählt der kurzfristige Erfolg.

Das war zum Beispiel der wirtschaftliche Aufschwung, nachdem die Reformen der Agenda 2010 von Ex-Kanzler Gerhard Schröder gegriffen haben - davon profitiert seine Nachfolgerin Angela Merkel bis heute. Arbeit wurde auf diese Weise billiger und die Lohnnebenkosten sanken. Gut erst einmal für die Unternehmer, und gut irgendwie auch für jene Menschen, die neue Jobs fanden.

Aber die Risiken sind bis heute extrem ungleich verteilt: Die meisten Firmen verdienen gut - aber viele Arbeitnehmer, besonders im Niedriglohnsektor, im Vergleich lächerlich wenig. Das mag vor dem Ruhestand noch zum Überleben reichen, dann aber nicht mehr.

Manche Gründe reichen noch viel weiter zurück: Besonders die Union mochte Frauen bis noch vor wenigen Jahren nicht unterstützen, wenn sie neben der Kindererziehung arbeiten wollten. Auch das ist ein Grund für Altersarmut, der gerne verschwiegen wird.

Schlimm ist: Offenbar haben weder Union noch SPD ein funktionierendes Konzept, daran etwas zu ändern. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt wäre eine Erhöhung des Mindestlohns, die auch die Spaltung der Gesellschaft mildern würde. Die Prognosen der Bertelsmann Stiftung beziehen sich zwar auf das Jahr 2036 - aber Eile tut dennoch not. Rentenpolitik hat, die Entwicklung zeigt es, einen langen Vorlauf. Da sind 19 Jahre wirklich nicht viel.

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