Beschlagnahmte Feiertage

24.12.2008, 00:00 Uhr
Beschlagnahmte Feiertage

© Stadtarchiv

«In der älteren Zeit war das Weihnachtsfest in erster Linie ein kirchliches Fest; auf die kirchliche Feier wurde früher das Hauptgewicht gelegt.» So steht es in einem Artikel über «Weihnachtliche Sitten und Bräuche in Franken» in der Weihnachtsausgabe des Fränkischen Kuriers. «In der älteren Zeit» und «früher»: Das zeigt, wie die Nazis das Fest neu prägen wollten – weg von den kirchlichen Traditionen, hin zur «Volksweihnacht unter dem Hakenkreuz», zur «deutschen Weihenacht», die vor allem einem Ziel dienen sollte: der Inszenierung des NS-Regimes mit Hitler an der Spitze.

Neue Mischung gezimmert

«Wir feiern das erste wirkliche deutsche Weihnachten. Das Prinzip unserer Volkheit schreitet alles bezwingend durchs Land», schrieb der bayerische Kultusminister und Bayreuther Gauleiter der NSDAP, Hans Schemm, im Dezember 1933. Die Nazis zimmerten sich eine Mischung aus alten, teils christlich geprägten Traditionen und neuen, «volksdeutschen» Bräuchen zusammen, um das Fest für sich zu vereinnahmen. Dazu gehörte der große Weihnachtsbaum auf markanten Plätzen als zentrale Anlaufstelle. «Gestern hat man auf dem Luitpoldplatz vor der Kirche den ,Christbaum für alle‘ aufgestellt und heute soll er zum ersten Mal seinen strahlenden Lichterschein über den weiten Platz leuchten», schrieb der Fränkische Kurier in seiner Erlanger Rubrik.

In Nürnberg landeten die Nazis einen Propaganda-Coup: Sie holten den Christkindlesmarkt zurück auf den Hauptmarkt, der an Weihnachten 1933 allerdings «Adolf-Hitler-Platz» hieß. Seit 1898 war der Markt quasi auf Tour durch die Stadt, mal auf der Insel Schütt, mal vor der Landesgewerbeanstalt, mal noch weiter außen vor den Stadttoren. Die Händler am Hauptmarkt verhinderten immer wieder Ansätze, die Traditionsveranstaltung dorthin zurückzubringen.

«Undeutsche Einflüsse»

NSDAP-Oberbürgermeister Willy Liebel setzte den alten Standort durch und machte dabei «undeutsche und rassefremde Einflüsse» für dessen Verlagerung verantwortlich - eine Attacke gegen jüdische Ratsherren, die angeblich die Abkehr vom Hauptmarkt durchgesetzt hätten.

Liebel war übrigens auch der Erfinder des Markt-Eröffnungs-Rituals samt leibhaftigem Christkind, das sich in kaum veränderter Form bis heute erhalten hat. Der Prolog, den das ab 1933 von riesigen Scheinwerfern ins rechte Licht gerückte Christkind auf der Empore der Frauenkirche sprach, hatte damals allerdings einen anderen Text, der dem Regime ins Konzept passte: «Nürnberg! Wie lieb ich immer Dich schöne deutsche Stadt, / die ihresgleichen nirgends in deutschen Landen hat. / Doch als vor vielen Jahren man meinen Markt mir nahm / und dann vors Tore mich jagte, da wurde ich euch gram. / Doch neue Zeiten kamen und Deutschland ist erwacht!»

National und völkisch: Diese Elemente dominierten auch beim eng mit der NS-Weihnacht verbundenen Aktionen des «Winterhilfswerks des deutschen Volkes». Durch die Erlöse der Sammel-Aktionen gab es Kleidungs-, Heizungs- und Lebensmittelspenden, teils auch Geld – aber nur für «Volksgenossen», nur für «erbgesunde» und die «Volkskraft» stärkende Bürger. Später versuchte vor allem Heinrich Himmler, der «Reichsführer SS», Weihnachten umzuprägen zum «Julfest», zur «Wintersonnwende». Der Historiker Hans-Ulrich Thamer schreibt dazu in seinem Standardwerk «Verführung und Gewalt»: «Dabei setzte sich Himmlers massive Germanisierung selbst in SS-Familien nicht durch; Goebbels agierte klüger und beschränkte sich darauf, Weihnachten in ein Fest des ,aufsteigenden Lichts‘ und des ,wiedererwachenden Lebens‘ zu verwandeln, ohne Weihnachtsbaum und Gabentisch zu verdrängen.» Als nicht nur Nürnberg 1945 dann wegen der Politik der Nazis in Schutt und Asche lag, kehrten die Deutschen rasch zurück zu den alten

Weihnachtsbräuchen, die sie auch im vermeintlich Tausendjährigen Reich nie ganz abgelegt hatten.