Brexit-Entscheidung: Auf der Insel herrscht blankes Chaos

16.1.2019, 06:35 Uhr
Die Abstimmung des britischen Parlaments sorgte bei den Anti-Brexit-Demonstranten für Freude.

© Frank Augstein Die Abstimmung des britischen Parlaments sorgte bei den Anti-Brexit-Demonstranten für Freude.

Wenn die Lage nicht so ernst wäre, könnte man sie auch komisch finden: Da bittet am Abend der historischen Brexit-Entscheidung des britischen Unterhauses der Präsident der EU-Kommission die Regierung in London, sie möge doch bitte möglichst bald mal klar sagen, was sie denn nun eigentlich wolle. Deutlicher kann man das Chaos auf der Insel kaum benennen.

Es ist nämlich eigentlich völlig gleichgültig, ob es um die britischen Konservativen oder Sozialdemokraten geht - jeder ist gegen alles, aber niemand für etwas. Der Realitätsverlust der Politik im Vereinigten Königreich kennzeichnet eine politische Krise, in die die Brexiteers ihr Land geführt haben. Dabei müsste jedem einigermaßen begabten Vertreter der politischen Klasse doch inzwischen klar sein, dass ein Austritt aus der Europäischen Union ohne geregeltes Abkommen einer ökonomischen Selbstverstümmelung gleichkommt.


Offiziell: Britisches Parlament lehnt Brexit-Deal ab


Wie steht denn bitte ein Vereinigtes Königreich vor den potenziellen und erhofften Partnern seiner unabhängigen Zukunft da, wenn es nicht mal in der Lage ist, einen Vertrag ordentlich auszuhandeln und den mit Mehrheit in Kraft zu setzen? Die EU hat niemanden über den Tisch gezogen. Sie machte lediglich klar, dass der Schatz ihrer Errungenschaften nicht scheibchenweise zu haben ist.

 

 

 

Ein Binnenmarkt, also der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen, ist ohne die gleichzeitige Freiheit für Menschen nicht denkbar. Und eine Gemeinschaft nicht ohne demokratische und sonstige Werte. Wenn die Briten diesen Verbund verlassen wollen, sollen sie gehen. Aber derzeit scheint London ja nicht mal in der Lage, seine eigene Zukunft gestalten zu können. Von Europa in dieser Situation Einlenken oder gar Entgegenkommen zu erwarten, ist unsinnig. Denn so lange niemand wirklich weiß, wer auf der Insel welche Mehrheit für welche Position hat, erübrigt sich jeder Kraftakt, den man im Sinne einer auch künftig guten Partnerschaft ja versuchen könnte.

Selbst wenn die EU sich bewegen wollte - sie weiß ja nicht mal, in welche Richtung. Die Union hat Recht: Die Briten müssen erst einmal zu Hause Ordnung schaffen, ehe sie Forderungen stellen. Bis dahin bleibt der EU wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten und die Bereitschaft zu einer geordneten Scheidung zu signalisieren - was auch immer darunter jenseits des Kanals verstanden wird.

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