Bundestagswahl: Wer nicht wählt, darf auch nicht klagen

22.8.2017, 10:59 Uhr
Bundestagswahl: Wer nicht wählt, darf auch nicht klagen

© Maja Hitij/dpa

So lau der Wahlkampf 2017 bislang läuft, sieht es ganz so aus, als würde Angela Merkels Strategie ein weiteres Mal aufgehen: die Bürger bloß nicht mit politischem Streit behelligen, ihnen also keinen Grund geben, am 24. September unbedingt an die Wahlurne zu müssen. Denn wenn viele Menschen nicht abstimmen, so das Kalkül, hilft das klassischerweise der Union, deren Stammklientel die Stimmabgabe als Bürgerpflicht ansieht. "Asymmetrische Demobilisierung" ist diese Strategie oft genannt worden.

Und sie ist zumindest zum Teil verantwortlich dafür, dass bei der letzten Bundestagswahl 2013 nur 71,5 Prozent der Wahlberechtigten abstimmten - ein Wert, der über die vergangenen Jahrzehnte deutlich zurückgegangen ist.

Nach den Ergebnissen einer nun veröffentlichten YouGov-Umfrage sind es vor allem die Nicht-Wähler, die in Deutschland Gerechtigkeitsdefizite sehen - bei Renten, Löhnen und Vermögen. Der Grund, dass sie der Wahlurne fernbleiben, ist demnach, dass sie den Parteien kaum eine Kompetenz im Bereich der sozialen Gerechtigkeit zutrauen. Viele Nicht-Wähler fragen also: Ja, wen soll ich denn auch wählen?

Die CDU? Im Wahlprogramm findet das Thema soziale Gerechtigkeit kaum statt. Die SPD?  Hat mit den Agenda-Reformen massiv Glaubwürdigkeit verspielt.  Die Linke? Setzt die richtigen Themen, klingt rhetorisch aber zu oft wie ein Überbleibsel der DDR. Die Grünen? Schielen auf eine Koalition mit Merkel. Die AfD? Kann man nur wählen, wenn man allen Ernstes glaubt, dass Flüchtlinge an der prekären Lage vieler Menschen in Deutschland schuld sind. Die FDP? Erklärt sich wohl von selbst.

Wer diese Einschätzungen (über die man freilich streiten darf!) teilt, dem bleibt also nur, der Wahl tatsächlich fernzubleiben oder das in seinen Augen kleinere Übel zu wählen. Letzteres ist sicher nicht befriedigend. Doch es ist die deutlich bessere Option, wenn es jemandem tatsächlich ernst ist mit seinem Wunsch nach mehr Gerechtigkeit. Denn es macht schon einen Unterschied, ob Martin Schulz oder Angela Merkel die Bundesregierung führt und ob die Linke oder die FDP stärkste Oppositionskraft ist. 

Die Option, gar nicht abzustimmen, wird dagegen kaum einen Effekt haben. Der Wahlsieger wird am Abend des 24. September zwar sicher ein paar Worte des Bedauerns über die niedrige Wahlbeteiligung finden - dann aber ordentlich weiterfeiern.

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