Daniela Schadt beim "Making of Windsbach"

19.9.2013, 21:40 Uhr
Daniela Schadt beim

© Thomas Scherer

Doch Ludwig, Philipp und Andreas haben die letzte Stunde freibekommen, damit sie stellvertretend für alle „Windsbacher“ die Partnerin des Bundespräsidenten Joachim Gauck empfangen können. Sehr respektvoll blicken die Buben in ihren weißen Hemden drein. Doch Schadt bricht sofort das Eis und fragt, welches Fach die Jungen gerade verpassen. „Latein“, sagt Ludwig. „Oh, und da seid ihr bestimmt ganz arg traurig, ja?“

Mit ihrer unprätentiösen Art hat Schadt die Buben gleich entkrampft. Doch dann rücken die Schüler wieder in den Hintergrund, denn die Erwachsenen scharen sich um den prominenten Gast, der an diesem Tag gekommen ist, um die Schirmherrschaft für das „Patronat“ des Windsbacher Knabenchors zu übernehmen. Die Bedeutung des Patronats ist für den Chor kaum zu überschätzen, denn diese Gruppe von Mäzenen bestreitet mit ihrem Engagement einen großen Teil des finanziellen Aufwandes. Zwar gibt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern etwa 1,2 Millionen Euro pro Jahr, der weitaus größere Teil muss jedoch selbst erwirtschaftet werden – etwa durch Konzerthonorare und Internatsgebühren.

Die Mäzene – derzeit rund vierzig Männer und Frauen – sponsern den Windsbacher Knabenchor mit zusammen etwa 100000 Euro jährlich. Seit dem Jahr 1999, als das Patronat gegründet wurde, sei über eine Million Euro gesammelt worden, erklärt Chorleiter Martin Lehmann. Ohne diese großzügige Finanzspritze von Privatleuten – „Drittmittel“, sagt Lehmann – wären CD-Produktion, große Oratorien oder Konzertreisen überhaupt nicht möglich, weil der künstlerische Etat begrenzt sei.

Daniela Schadt kennt als langjährige NZ-Redakteurin die Windsbacher nicht nur dem Namen nach. Gehört hat sie den Chor schon öfters. Und weil nach 25 Jahren in Nürnberg Franken ihre Heimat geworden ist, habe sie auch nicht lange nachdenken müssen, als man ihr die Schirmherrschaft für das Patronat antrug. Die Windsbacher seien „eine feste Größe im musikalischen Bereich“, die schon längst nationale und internationale Bedeutung erlangt habe.

Schadts Vorgänger war nun ein gutes Jahr lang der scheidende Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper Kent Nagano. Er übernahm das Ehrenamt in der Zeit des Überganges vom langjährigen Chorleiter Karl-Friedrich Beringer auf seinen Nachfolger Lehmann. Vor Nagano war Günther Beckstein, bayerischer Innenminister und Ministerpräsident, Schirmherr des Patronats. So wie die Mäzene sich in der Regel eine Reihe von Jahre lang den Windsbachern verpflichten, will auch Daniela Schadt längerfristig Schirmherrin sein.

Schadt spricht - Samuel und Raúl lauschen

An diesem Tag blickt die „Erste Dame“ der Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal hinter die Kulissen des 130-köpfigen Chors. Schadt lernt Gebäude und Campus kennen, vor allem aber die stimmgewaltigen Buben und jungen Männer. Mit großer Wissbegierde und Aufgeschlossenheit lässt sie sich alles zeigen: Chorsaal, Stimmbildung, Instrumentalunterricht. Sie kramt ein bisschen im Notenarchiv, zwängt sich zwischen zwei verschiebbare Rollregale und darf sich in der Medienbibliothek ein Musikstück wünschen: Bei mehreren zigtausend Titeln auf 440 Gigabyte fällt die Wahl schwer. Sie entscheidet sich für die Brahms-Motette „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“.

Sie lauscht kurz als Samuel und Raúl – elf und zwölf Jahre alt – unter Anleitung von Elena Holzheimer an ihrer Stimme feilen. Bei einem Weihnachtslied von Benjamin Britten hakt es beim Zusammenstoß zweier s-Laute in der Zeile „My Jesus sweet“ noch etwas. Ein Zimmer weiter bekommt Vinzenz gerade Einzelunterricht auf der Dreiviertelgeige. Der musikinteressierte Gast hört zu, bewundert und stellt Fragen: „Beherrscht man auch die Bratsche, wenn man Violine kann?“ Nicht automatisch, meint Lehrerin Jutta Pauer, aber der Umstieg sei leicht.

Das Programm ist voll an diesem Nachmittag, denn die Windsbacher wollen so viel wie möglich von sich zeigen: Im Aufenthaltsraum bleibt Schadt am Air-Hockey-Tisch stehen. Sie spielt kurz gegen den zwölfjährigen Peter und erzielt ziemlich flott zwei Tore. Im Studienraum der vierten Klasse brüten die Schüler über Mathe-Aufgaben und Schadt gesteht, sie sei nicht sicher, ob sie bei der Methode, mit der die Grundschüler heutzutage rechnen, noch durchblickt.

Es folgt noch ein Kaffeeplausch mit den Zuschussgebern von Kirche, Bezirk und Kommune, dann noch ein kurzer Besuch in der Chorprobe. Als Schadt sich nach gut vier Stunden wieder auf den Weg macht, sagt sie, ihr Besuch sei wie das „Making of“ eines Kinofilmes gewesen. Wenn einem der Streifen gefallen habe, dann wolle man eben auch sehen, wie es beim Dreh hinter den Kulissen zuging.

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