Das junge Polen wacht auf - endlich!

24.7.2017, 11:24 Uhr
Bürger protestieren vor dem Gebäude des Obersten Gerichts in Warschau gegen eine umstrittene Justizreform der nationalkonservativen polnischen Regierung.

© Czarek Sokolowski (dpa) Bürger protestieren vor dem Gebäude des Obersten Gerichts in Warschau gegen eine umstrittene Justizreform der nationalkonservativen polnischen Regierung.

Man könnte sagen, Polen hat gerade noch einmal die Kurve gekriegt - vorerst. Präsident Andrzej Duda legt sein Veto ein gegen eine Reform, die die Justiz quasi entmachtet und unter Regierungsaufsicht gestellt hätte. Es wäre das Ende der Gewaltenteilung gewesen, eines der wichtigsten Elemente einer Demokratie. Die beiden Parlamentskammern hatten dem Gesetz letzte Woche schon zugestimmt: Demnach soll künftig die Regierung bestimmen, wer Richter am Obersten Gerichtshof wird. Das verhöhnt die europäischen Werte. Wäre Polen nicht schon seit 2004 in der Europäischen Union - es hätte sich damit keine Hoffnungen auf einen Beitritt machen können.

Es war nicht vorherzusehen, ob Duda das Gesetz unterschreiben würde; bisher hat er alle Vorlagen von Jaroslaw Kaczynski und seiner rechtskonservativen PiS-Partei abgenickt. Zu seiner Ablehnung beigetragen haben sicherlich die Proteste zehntausender Landsleute, die vergangene Woche gegen die Justizreform auf die Straße gingen.

Auch junge Polen marschierten mit - endlich! Lange zeigte die junge Generation eher gelangweiltes Desinteresse an der Politik. Nicht mal die Hälfte wollte 2015 wählen gehen. Für sie ist die Demokratie selbstverständlich, sie kennen nichts anderes mehr - im Gegensatz zu den Älteren. Und wenn sie doch wählen gingen, stimmten erschreckend viele für rechtsnationale Parteien.

Geld-Entzug aus Brüssel

Jetzt haben sie offenbar gemerkt, dass ihr Land in eine Richtung driftet, die tatsächlich die Demokratie bedroht, an die sie sich so gewöhnt haben. Man kann nur hoffen, dass ihre Beteiligung an den Protesten kein einmaliges Aufbäumen war. Dazu kann auch die EU beitragen - indem sie klarmacht, wie schmerzhaft es für Polen wäre, sich von der Gemeinschaft und ihren Werten zu verabschieden.

Derzeit ist davon die Rede, Polen die Stimmrechte in den EU-Gremien zu entziehen, wenn die Justizreform doch noch durchkommt. Aber dieser Beschluss muss einstimmig fallen - und es ist kaum vorstellbar, dass Ungarn (das in eine ähnlich autoritäre Richtung gedriftet ist) mitspielt.

Die Alternative wäre weniger symbolträchtig, aber womöglich wirkungsvoller: Geld-Entzug. Wenn vier von fünf EU-Regierungschefs festhalten, dass die Rechtsstaatlichkeit in Polen schwerwiegend verletzt werden könnte, dann wirkt sich das auf die Finanzplanung aus. In so ein Land darf Brüssel nicht weiterhin Milliarden aus seinen Fördertöpfen pumpen.

Wehtun würde das erst ab 2020, wenn der neue Haushalt greift. Aber bis dahin hätten Opposition und Regierungskritiker die Chance, die Mehrheit an jungen und alten Polen aufzurütteln, die in der EU bleiben wollen und Wert auf eine unabhängige Justiz legen. Die gute Nachricht ist ja, dass es diese Mehrheit gibt.

 

 

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