"Das neunjährige Gymnasium hat seinen Charme"

9.2.2017, 08:00 Uhr

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Der frühere Gymnasiallehrer leitet den Arbeitskreis Bildung der CSU. Er sei nur ein kleines Rädchen im Dialogprozess über die Zukunft des bayerischen Gymnasiums, sagt Waschler. Und er lasse sich derzeit sicher nicht auf die Aussage festlegen, dass mit dem Optionsmodell des Kultusministers auch das G 8 gestorben ist. "Aber das neunjährige Gymnasium hat seinen Charme." Jedenfalls sei man in der CSU kurz vor der endgültigen Entscheidung über die Laufzeit des Gymnasiums.

Der Vorstoß von Minister Spaenle im vergangenen Jahr, die Schulen selber entscheiden zu lassen, ob sie weiterhin acht Jahre bis zum Abi ansetzen oder ihren Schülern unterwegs mehr Lernzeit gönnen, wurde von Anfang an von der politischen Opposition, aber auch von Gymnasialdirektoren sowie Eltern- und Lehrerverbänden scharf kritisiert. "Das Wahlmodell kann vor Ort in den Schulen zu Streit und Irritationen führen", formuliert es jetzt Spaenles Parteifreund Waschler. Deshalb mache es keinen Sinn, diesen Gedanken weiterzuverfolgen, darin sei man sich intern einig.

Hermann Lind leitet das Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg. Das hatte sich um eine Teilnahme an der Pilotphase "Mittelstufe plus" beworben, war 2015 aber nicht zum Zug gekommen. Lind hielt den Parallelbetrieb von G 8 und G 9 an einer Schule, wie es Spaenles Optionsmodell auch vorsah, nie für praktikabel. "Das hätten nur große, sechszügige Schulen geschafft." Der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende Karl Freller bringt es auf den Punkt: "Das Wahlmodell hätte Ungleichheit in die Schullandschaft gebracht."

Er gehe "gefühlsmäßig" davon aus, dass es jetzt auf ein neunjähriges Gymnasium rausläuft, sagt Freller. Nach der Online-Befragung der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern (LEV), bei der sich 80 Prozent der Eltern für ein G 9 aussprachen, sei das Festhalten am G 8 auch wenig populär. "Man kriegt hinter den Kulissen aber mit, dass es auch diese Befürworter gibt." Darunter Lehrer, die es besser fänden, wenn das Kultusministerium mehr Geld für Fortbildungen und zusätzliche Stunden für differenzierten Unterricht ausgäbe, als schon wieder das ganze System neu aufzurollen.

Gerangel um die Finanzen

Überhaupt die Finanzen - um sie werde jetzt CSU-intern am stärksten gerungen. "Wir gehen davon aus, dass für ein flächendeckendes G 9 allein für Schulbauten 1,5 Milliarden Euro ausgegeben werden müssen", sagt Freller. In Nürnberg müsste laut Schulbürgermeister Klemens Gsell allein wegen des G 9 ein komplett neues Gymnasium gebaut werden. Kein Wunder, dass der CSU-Politiker die Rückabwicklung des G 8 durch seine Partei problematisch findet.

Hinzu kämen über 1000 neue Lehrerstellen. Vor allem Vertreter der anderen Schulformen hätten bei all den Kosten Bauchschmerzen, sagt Freller. "Sie fürchten, dass der Sog aufs Gymnasium noch größer wird."

Freller möchte, wie die Grünen-Landtagsfraktion und die LEV, im G 9 die 11. Klasse so anlegen, dass sie von leistungsstarken Schülern oder von solchen, die ein Auslandsjahr einlegen möchten, problemlos übersprungen werden kann. Damit bestünde die Möglichkeit, auch künftig das Abi in zwölf Jahren zu schaffen. Die Grünen fänden es gut, wenn sich die Zehntklässler grundsätzlich entscheiden könnten, ob sie noch zwei oder drei Jahre bis zum Abi pauken. Der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Gehring, ist froh, dass das Optionsmodell vom Tisch ist. "Ein Nebeneinander von G 8 und G 9 hätte nicht funktioniert und vor allem den Kommunen große Probleme bereitet, weil die Eltern doch nur wieder mit den Füßen abgestimmt hätten."

Für Gehring war Spaenles Optionsmodell nichts anderes als ein "Ausdruck der Nichtentscheidungsfähigkeit der CSU". Jetzt gehe die Tendenz klar zu G 9. Darüber freuen sich auch die Freien Wähler, die 2014 mit einem Volksbegehren für die Einführung des G 9 gescheitert waren. Inzwischen sei viel wertvolle Zeit vertan worden, meint deren Bildungsexperte Michael Piazolo. "Da wurde dauernd vom Dialogprozess gesprochen, dabei hat alles nur darauf gewartet, dass die CSU ihre internen Scharmützel entschieden hat."

Die Freien Wähler halten nichts davon, die 11. Klasse verzichtbar zu machen. Details eines neuen G 9-Lehrplans müssten jetzt rasch geklärt werden, so Piazolo. Martin Güll, SPD-Bildungsexperte im Landtag, fordert, den Unterrichtsstoff im G 9 auf alle Klassenstufen gleich zu verteilen. "Nur so können wir sichergehen, dass die Inhalte in allen Klassen entzerrt werden." Es sollte Gymnasiasten aber leichter gemacht werden als bislang, eine Klasse zu überspringen. Um beispielsweise tatsächlich statt der Elften ein Auslandsjahr zu machen.

"Es ist schon mal schön, dass das Optionsmodell vom Tisch ist", freut sich auch die Vorsitzende der LEV, Susanne Arndt. Jetzt müsse aber bald klar sein, wie es konkret weitergeht. Kommende Woche ist die LEV bei der CSU-Fraktion zum Gespräch eingeladen. Das sei eine Reaktion auf den offenen Brief, den die Eltern an Ministerpräsident Horst Seehofer sowie an die Landtagsabgeordneten geschickt haben, um die Forderung nach einem einheitlichen G 9 mit durchdachtem Lehrplan zu untermauern. Minister Spaenle möchte im Sommer das neue bayerische Gymnasium in eine Gesetzesform gegossen haben. Starten soll es 2018.

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