Das steckt hinter dem Aufruf zu Hamsterkäufen

22.8.2016, 11:28 Uhr
Bürger sollen sich einen Vorrat anlegen, um für den Ernstfall gewappnet zu sein, empfiehlt die Regierung.

© dpa Bürger sollen sich einen Vorrat anlegen, um für den Ernstfall gewappnet zu sein, empfiehlt die Regierung.

Drei Meter unter der Erde unter einem Berufsschulzentrum ist bis heute in Gunzenhausen ein Bunkerkrankenhaus für 400 Patienten erhalten — ein Zeugnis jener Epoche, in der im Ost-West-Konflikt die Blöcke sich gegenseitig mit Atomraketen bedrohten. Bereits 1990 war in der Bundesrepublik der Bau solcher Anlagen eingestellt worden. 1997 wurde sogar die Auflösung aller Hilfs­krankenhäuser im "Zivilschutzneuordnungsgesetz" beschlossen.

Seit 2008 werden flächendeckend alle ehemaligen Zivilschutzanlagen aufgelöst, verkauft oder abgerissen. Die Vorräte, Decken, Matratzen und Medikamente landeten weitgehend auf dem Müll. Broschüren wie "Jeder hat eine Chance", in der das Verhalten im Fall eines atomaren Angriffs empfohlen wird, sind längst nur noch bei Antiquaren zu bekommen.

Und jetzt? Zurück in die 1960er Jahre? Der neue Aufruf, zu Hause Vorräte und Wasser zu horten, erinnert stark an die "Aktion Eichhörnchen" von 1961 des damaligen Ernährungsministeriums. Im Jahr des Mauerbaus, als sich der Konflikt zwischen den Blöcken zuspitzte, sollte jeder Haushalt Lebensmittel für 14 Tage lagern.

So lange würde es im Zweifel dauern, so die Behörden, bis eine staatliche Versorgung wieder aufgebaut ist, meinten die Verantwortlichen damals. Allerdings stieß der Aufruf auf wenig Widerhall. Maximal jeder 30. Haushalt beachtete die Vorgaben und lagerte Konserven ein.

Das Problem war damals nicht allein, der knappe Wohnraum mit begrenzten Lagerflächen. Die Verwaltung der oft wenig schmackhaften Dosen-Inhalte erforderte einigen Auf­wand, weil sie rechtzeitig vor dem Ablaufdatum ausgetauscht und verzehrt werden mussten.

Ein Panzer in Nürnberg

Und nach 1989 spielte der Zivilschutz ohnehin keine große Rolle mehr. Kriegsgefahr schien nach dem Untergang der Sowjetunion ausgeschlossen zu sein. Privatleute wurden nicht länger mit Broschüren behelligt, wie sie sich im "Verteidigungsfall" in ihren Wohnungen zu verhalten hätten.

Die Behörden konzentrierten sich eher auf institutionelle Hilfe durch Rettungsorganisationen, Feuerwehren und das Technische Hilfswerk, wie beispielsweise 2006 bei den Kon­zepten für die Fußball-WM in Deutschland. Auch die Bundeswehr war damals beteiligt, mit Gas-Spürpanzern, wenn auch dezent im Hintergrund. In Nürnberg stand der Panzer an einer uneinsehbaren Stelle hinter der Feuerwache nahe der Messe.

Terroranschläge und Unwetter hat­ten den Haushaltsausschuss des Bundestags 2012 bewogen, den Zivil­schutz grundsätzlich zu überdenken. Organisatorisch hat sich aber seit 1961 wenig geändert: Die Bevölke­rung soll im Notfall zum Selbstschutz fähig sein, bevor staatliche Maßnahmen anlaufen, um eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Was­ser, Energie und Bargeld sicherzustellen, heißt es. Daher solle die Bevölkerung auch angehalten werden, zur Erstversorgung für einen Zeitraum von fünf Tagen je zwei Liter Trinkwas­ser pro Person und Tag vorzuhalten, heißt es in dem vom Bundesinnenministerium erarbeiteten Text.

Auf den 69 Seiten Konzept wird frei­lich auch wiederholt, was seit dem Ende des Kalten Krieges über die Gefahr eines militärischen Konflikts auf deutschem Boden gilt: Ein Angriff auf das Territorium Deutschlands, der eine konventionelle Landesverteidigung erfordert, sei unwahrscheinlich.

Dennoch sei es nötig, so die Veran­wortlichen, "sich trotzdem auf eine solche, für die Zukunft nicht grundsätzlich auszuschließende existenzbe­drohende Entwicklung angemessen vorzubereiten".

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