Geringer Frauenanteil im Maximilianeum: "Ein Armutszeugnis"

21.10.2018, 11:13 Uhr
Der Frauenanteil im Bayerischen Landtag ist gering.

© Oliver Berg/dpa Der Frauenanteil im Bayerischen Landtag ist gering.

55 Frauen sitzen im neuen Bayerischen Landtag - ihnen gegenüber 150 Männer: Mit einem Frauenanteil von rund 26,8 Prozent ist das Parlament in München männergeprägter als in den vergangenen 15 Jahren. Auch deutschlandweit steht der Freistaat schlecht dar. "Es ist ein Armutszeugnis", sagt die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, "wir haben das Jahr 2018".

Selbst in der als besonders männerdominiert geltenden FDP kommen die Zahlen schlecht an. Julika Sandt, die einzige Frau in der neuen FDP-Fraktion im Maximilianeum, hat es sich jetzt schon - nur knapp eine Woche nach der Wahl - zum Auftrag gemacht, beim nächsten Mal mehr Frauen in der Fraktion zu haben. Dieses Mal will sie sich "gegen die Machos Söder und Aiwanger durchsetzen".

In der vergangenen Legislaturperiode waren 28,3 Prozent der Abgeordneten im Maximilianeum weiblich, davor waren es noch 31,6 Prozent, davor 29,4 Prozent. Im bundesweiten Vergleich liegt der Freistaat - ansonsten immer bemüht um die Top-Platzierung - derzeit auf dem viertletzten Platz. Nur in Sachsen-Anhalt,Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg sitzen noch weniger Frauen in den Parlamenten. Auch im Bundestag ist seit der Wahl im Herbst 2017 die Zahl der weiblichen Abgeordneten von 36,3 Prozent auf 30,9 Prozent gesunken.

Außer älteren Männern sind alle Gruppen unterrepräsentiert

Eigentlich soll ein Parlament aber die gesamte Gesellschaftrepräsentieren - mit Migranten, Arbeitern, jungen Menschen und besagten Frauen. Doch Fakt ist: Außer älteren Männern sind alle Gruppen unterrepräsentiert. Im neuen Bayerischen Landtag besteht einzig die SPD-Fraktion zur Hälfte aus Frauen. In der CSU liegt der Frauenanteil bei rund 20 Prozent. Die Forschung zeige, dass tendenziell Parteien im linken Spektrum häufiger Frauen aufstellten als Parteien im rechteren Spektrum, sagt Ina Bieber vom Gesis-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Mannheim auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Dass so wenige Frauen in der Politik sind, habe verschiedene Gründe. Parteiarbeit finde meist abends statt und konkurriere bei Frauenstärker mit der traditionellen Familienarbeit, so Bieber. Auch abseits von klassischen Rollenverteilungen gebe es Strukturen, die Frauen in der Politik benachteiligen. „Als Direktkandidat werden oft diejenigen wieder nominiert, die die Position bereits innehaben, und das sind häufiger Männer“, erklärt Bieber. Ein wichtiger Faktor sei auch das Wahlrecht. So führen etwa Mehrheitswahlsysteme - mit dem Prinzip "the winner takes it all“ - wie in Frankreich zu einem niedrigen Frauenanteil. Bessere Aussichten haben Frauen im Verhältniswahlrecht, mit einem guten Listenplatz.

Frauenquote ja oder nein?

„Ich war immer gegen eine Quote, bin mittlerweile aber völlig anderer Meinung“, sagt die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm(CSU). Dem neuen Landtag gehört sie nicht mehr an. "Doch eine Quote rettet nicht alles, Frauen müssen sehr viel mehr dazu beitragen." Ihre Partei etwa habe Probleme, genug Frauen zu finden, um Posten paritätisch besetzen zu können.

Braucht es dennoch eine Frauenquote, so wie sie die Politik etwa fürTop-Posten in der Wirtschaft fordert? In der bayerischen Parteienlandschaft gehen die Meinungen auseinander. Die Grüne Schulzeist dafür, dass die Parteien eine quotierte Liste aufstellen müssen – "so kommen wir der Sache immerhin ein bisschen näher". Eine Quote sei leistungsfeindlich, sagt hingegen Sandt: „Wir sind eine Partei, in der es nach Leistung geht, nicht nach Geschlecht.“

Auch Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler und möglicherweise bald der Vize-Ministerpräsident, lehnt eine Frauenquote ab. Er strebe einen Frauenanteil seiner Partei im Parlament an, wie es sie auch unter den Mitgliedern gebe (rund 20 Prozent). Die Emanzipation sei dann erreicht, wenn nicht mehr Männer und Frauen gezählt würden. Bei gleicher Eignung würde es aber durchaus Sinn machen, Frauen zu bevorzugen, immer auf die Gefahr hin, dass ebenso gut qualifizierte Männer keinen Posten bekämen.

Verändern mehr Frauen die Politik?

Die Forschung ist sich laut Bieber uneinig darüber, ob bei mehr Frauen im Parlament auch andere Themen gesetzt werden. Schulze und Sandt sehen das anders. Sandt ist sichauch sicher, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht so zum Thema in der Politik geworden wäre, wenn Frauen nicht genau dafür gekämpft hätten. Weil "man schnell in eine Ecke gestellt wird“, habe sie sich jedoch politisch bisher nicht vorrangig mit Frauenthemen beschäftigt.


Was meinen Sie? Braucht die Politik eine Frauenquote?

Schreiben Sie Ihre Meinung, diskutieren Sie hier in unserem Leserforum unter diesem Artikel mit! Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass Sie sich mit Ihrem vollen Namen, Ihrer postalischen Adresse und Ihrer Mailadresse registrieren. Falls Sie bereits einen Login besitzen, bei dem die Anschrift noch fehlt, bitten wir Sie, diese Daten zu ergänzen. Derzeit sind die Angaben zur Adresse noch freiwillig. Im Leserforum werden wir aber nur Kommentare zulassen, bei denen auch die Angaben "Straße/Hausnummer sowie PLZ/Ort" ausgefüllt wurden. Dennoch wird Ihr Kommentar online nur unter dem von Ihnen gewählten Nickname zu lesen sein. Meinungsbeiträge sind auch per Mail an nn-leserbriefe@pressenetz.de (Stichwort: Frauenquote) möglich.
Eine Auswahl der Einsendungen wird gegebenenfalls auch auf der gedruckten Meinungsseite in den Nürnberger Nachrichten mit Angabe des Namens und des Wohnorts (ohne Straßenangabe) erscheinen. Falls Sie damit nicht einverstanden sein sollten, bitten wir Sie, dies in Ihrem Kommentar zu vermerken.

11 Kommentare