„Die AfD wurde ein bisschen neu geboren“

6.7.2015, 21:23 Uhr

NZ: Nach dem Parteitag wurde Ihre Partei gespalten. Ist damit das Ende der AfD angebrochen?

Frauke Petry: Nein, die AfD wurde am Wochenende tatsächlich ein bisschen neu geboren. Die Partei hat aktuell zirka 22 000 Mitglieder, darunter diejenigen, die dem Weckruf nahestehen, also einer Partei in der Partei. Aber die Zahl derer, die sich dem Weckruf angeschlossen haben, ist relativ klein. Viele von ihnen werden in der AfD bleiben, andere werden austreten. Das war zu erwarten. Es wird die AfD in ihrem Bestand nicht gefährden, denn wir haben bereits eine Vielzahl von Interessenten, die wieder beziehungsweise neu in die Partei eintreten wollen. Das sind Bürger, die Luckes Weg nicht mitgehen wollten.

NZ: Es wird aber doch eine regelrechte Austrittswelle erwartet? Hans-Olaf Henkel hat seine Ankündigung bereits wahrgemacht.

Petry: Henkel war nie in die Partei integriert. Er wurde zur Europawahl als Zugpferd geholt. Man gab ihm eine Chance. Zu bedenken ist: Die Zahl der Werkruf-Unterstützer liegt irgendwo zwischen 3000 und 4000 Mitgliedern. Viele haben beteuert, dass sie sich vom Weckruf abwenden werden, weil sie nicht wussten, was sie da unterschrieben haben. Die Zahl der aktiven Weckrufer ist deutlich kleiner als man denkt. Die Austritte werden also nicht so zahlreich sein.

NZ: Aber Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel haben gemeinsam mit Ihnen das Gesicht der AfD geprägt.

Petry: Henkel hat anfangs seine mediale Wahrnehmung genutzt, aber schon seit einem Dreivierteljahr massiv in der Öffentlichkeit gegen die eigene Partei geschossen. Er hat der AfD mehr geschadet, als dass er ihr genutzt hat. Die Mehrheit der Mitglieder hatte vor ihm die Achtung verloren. Bernd Lucke ist die Galionsfigur der Anfangszeit. Inzwischen gibt es andere wie Alexander Gauland, Marcus Pretzell, mich oder Beatrix von Storch. Sie werden sich jetzt einen Ruf in den Medien erarbeiten müssen. Dies wird eine Weile dauern, aber wir haben sehr viele authentische Politiker in der Partei.

NZ: Wird die AfD unter Ihrer Führung eine „NPD im Schafspelz“, wie dies Herr Henkel formuliert hat?

Petry: Sehen Sie, dies ist eine der nicht haltbaren Diffamierungen Henkels. Nicht bei inhaltlichen Fragen haben wir verschiedene Meinungen, sondern bei Führungsfragen. Bernd Lucke wollte eine autoritär geführte AfD. Ich möchte einen breit aufgestellten Vorstand, eine Mehrfachspitze und eine bessere Vernetzung zwischen den verschiedenen Ebenen. Regieren durch Rundmails ist nicht mein Stil.

NZ: Ihnen wurde vorgeworfen, beim Parteitag in Essen nicht gegen islamfeindliche Beiträge eingeschritten zu sein beziehungsweise den Applaus hierzu geduldet zu haben.

Petry: Mir sind solche Äußerungen nicht bekannt, deswegen bitte ich hier um konkrete Zitate. Bei den Reden handelte es sich um dreiminütige Bewerbungsreden für Vorstände, die zugespitzt waren. Bei einigen Formulierungen habe ich mich unwohl gefühlt. Sie können aber keine Bewerbungsrede unterbrechen. Gewählt wurden fast ausschließlich bekannte Gesichter, die seit der Gründung dabei sind, hier hat die Partei viel Vernunft gezeigt. Außerdem war es ein Wahlparteitag und kein Programmparteitag. Die Stimmung war aufgeheizt. Nicht nur durch die Hallentemperatur von etwa 30 Grad Celsius, sondern weil Bernd Lucke im Vorfeld mit seinen Aussagen polarisiert hatte. Das hat er während seiner Rede von einer großen Mehrheit der Mitglieder deutlich zu spüren bekommen.

NZ: Wie geht es nun weiter in der AfD?

Petry: Der neue Vorstand nimmt nun die Arbeit auf. Natürlich müssen sich die Wogen erst einmal glätten – auch in den Kreisverbänden. Das braucht Zeit. Wir werden aber für eine beruhigte Lage sorgen. Programmatisch werden wir nach dem Sommer die Arbeit in den Fachausschüssen aufnehmen, und es wird neue Zuständigkeiten auf Bundesebene geben. Wir werden außerdem an den Brennpunktthemen wie Eurokritik, der Auflösung der Eurozone, weiteren EU-Reformen und der Familienpolitik weiterarbeiten. Es wird keine inhaltlichen Verschiebungen geben. Letztlich ging es zuletzt darum: Behält Bernd Lucke allein die Macht oder erhält die AfD ihre Freiheit zurück? Letzteres ist Gott sei Dank eingetreten.

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