Die Missionarin wurde missioniert

7.4.2012, 10:00 Uhr


EineWelt im abgelegenen Bergland Süd-Tansanias war und im Januar 2009 zurückkam, hat vielmehr das alte Verständnis auf den Kopf gestellt: „Mission bedeutet für mich, gesendet zu sein zu Begegnungen mit Menschen aus einer anderen Kultur, die mich am Ende selbst missioniert haben, obwohl sie das gar nicht vorhatten.“

Die europäische  Art passt nicht in Afrika

Was ein wenig akademisch klingt, kann die 42-Jährige anhand von unzähligen Beispielen erklären. Es ging der Mutter dreier Kinder, von denen eines in Tansania geboren wurde, darum, die neue Kultur und deren Werte zu entdecken – und ihre Arbeit genau auf diese andere Kultur abzustimmen.

Als Dozentin in einer Bibelschule für Evangelisten und Ehrenamtliche in der im Hochland gelegenen Gemeinde Tandala im Bezirk Makete hat sie schnell gemerkt, wie wenig passend die europäische Art der Wissensvermittlung für Tansanier ist.

Daran hatte aber nicht etwa die evangelisch-lutherische Kirche, die seit rund 100 Jahren in Tansania ist, schuld – sondern vor allem die früheren Kolonialmächte Deutschland und später Großbritannien, die dem Land ihr Schulsystem überstülpten. „Wissen und Werte werden in der tansanischen Gesellschaft von jeher ganzheitlich übermittelt,“ erklärt die Theologin, die an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau und an der Uni Erlangen-Nürnberg promoviert hat.

„Ich war von Anfang an fasziniert davon, wie ganzheitlich Tansanier ihre Wertvorstellungen durch kleine Geschichten, anschauliche Fabeln, Sprichwörter, Gesang und Tänze weitergeben. Das finde ich ungeheuer wertvoll – und ich wollte dabei helfen, diese Elemente wieder in die Pädagogik einzubinden, um die Wissensvermittlung authentischer zu machen.“

Doch nicht nur die Art der Wissensvermittlung erschien ihr wenig angemessen. Auch die Ausrichtung des pädagogischen Systems auf das leistungsorientierte europäische Verständnis, bei dem das Individuum im Mittelpunkt steht, während in Afrika die Gemeinschaft alles ist, fand sie unpassend.

Ihr wurde schnell klar, dass es wenig bringt, ihren Schülern im Frontalunterricht etwas über Augustinus in der Kirchengeschichte oder über Martin Luther zu erzählen – während diese in ihren verstreuten Dörfern mit ganz anderen Lebenswelten konfrontiert sind. In einer Gegend, in der eine ganze Generation durch HIV ausgelöscht wurde, geht es erst einmal darum, neue Familienstrukturen zu schaffen und das tägliche Überleben zu sichern. „Da muss zum Beispiel ein Pfarrer, der zum Unterricht kommt, im Anschluss noch eine Stunde zu Fuß nach Hause laufen, wo dann eine Familie mit sechs eigenen und zwei weiteren Kindern wartet, deren Mutter an HIV gestorben ist“, erzählt Simone Bosch. Was ihnen für den Unterricht wichtig ist, das hat die Pfarrerin versucht, in intensiven Gesprächen von den Betroffenen selbst zu erfragen. Und so entwickelte sie ein Modell, das die afrikanischen Elemente wieder ein Stück weit integriert hat. „Es ist wichtig, mit den Menschen auf Augenhöhe zu sprechen, aber das ist nur möglich, wenn ich erst einmal versuche, ihre Vorstellungen zu erfragen und ihre Werte zu verstehen“, sagt Bosch. Ihre Mission, christliche Glaubensinhalte weiterzugeben, dürfte Simone Bosch wohl in bestmöglicher Weise erfüllt haben. Auch wenn die Stelle nach ihrer Rückkehr mangels Interesses nicht wiederbesetzt werden konnte – was Bosch sehr schade findet – sei sie „sehr glücklich darüber, dass die Begegnung mit den tansanischen Mitarbeitenden die eigenen Werte wieder neu in Frage gestellt hat“.

„Ungeheuer viel aus Tansania mitgebracht“

Für sich und ihre Familie, die nun wieder in Neuendettelsau lebt, aber auch für ihre Arbeit in der Zentrale von Mission EineWelt, hat Bosch aus Tansania „ungeheuer viel mitgebracht“: Sie versucht nun, in ihrer pädagogischen Arbeit für Freiwillige, die sich auf ein Auslandsjahr vorbereiten, afrikanische Elemente der Wissensvermittlung einzubeziehen. Und das kommt gut an bei den jungen Menschen, die sich ihrerseits auf andere Kulturen, auf andere Wertesysteme einlassen wollen – ohne den Menschen in Afrika, in Lateinamerika oder in Asien die europäische Denkweise als die allein selig machende weiterempfehlen zu wollen.

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