Die Todesstrafe ist ein Anachronismus im 21. Jahrhundert

20.4.2018, 12:55 Uhr
Die Todesstrafe ist ein Anachronismus im 21. Jahrhundert

© Paul Buck/Archiv (dpa)

Welche Gefahr für die Gesellschaft geht von einem 83-jährigen Mann aus, der vor Jahrzehnten einen Richter heimtückisch getötet haben soll? Nach Einschätzung der US-Justizbehörden in Alabama ist sie offenbar so groß, dass man Walter Moody, so heißt der Mann, im sehr fortgeschrittenen Alter mit einer Giftspritze noch hinrichten musste. "Justice has been served", lautete das Statement nach Vollstreckung des Todesurteils, "der Gerechtigkeit wurde genüge getan." Ist das so?

Zum einen hatte Moody bis zuletzt seine Unschuld beteuert. Zum anderen drängt sich die Frage auf: Wer empfindet "Genugtuung" darüber, dass ein verurteilter Mörder nun selbst tot ist? Mit dem Tod eines Menschen ist kein Stück Wiedergutmachung verbunden. Allenfalls ist damit das Bedürfnis nach Rache gestillt. Aber nach so langer Zeit?

Die Todesstrafe ist ein Anachronismus im 21. Jahrhundert und es ist kaum zu fassen, dass es noch immer mehr als 30 UN-Mitgliedstaaten gibt, die sie nicht nur aussprechen, sondern auch vollstrecken - darunter mit Weißrussland sogar ein europäischer Staat. Besonders häufig werden Mitglieder von ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheiten zum Tode verurteilt. Ferner sagen Statistiken aus, dass arme Menschen besonders Gefahr laufen, mit dem Tod für ein Vergehen bestraft werden, da ihnen die Mittel fehlen, sich wirksam gegen Anschuldigungen zu verteidigen. Wo bitte wird da der Gerechtigkeit genüge getan?

Muss nicht landesweit die Todesstrafe abgeschafft werden?

Es ist schwer erträglich, dass sich die US-Justizbehörden in einzelnen Bundesstaaten völlig faktenresistent zeigen, sobald man ihnen darlegt, dass die Todesstrafe eben keine abschreckende Wirkung hat, wie sie stets behaupten. "Wer tot ist, kann niemanden mehr töten", so lautet deren Credo. Das ist unstrittig. Doch es gibt "keine ausreichenden Informationen darüber, ob die Todesstrafe die Mordrate verringert, erhöht oder überhaupt einen Effekt auf sie hat", heißt es in einem Bericht aus dem Jahr 2012, an dem neben anderen der Nationale Forschungsrat der USA beteiligt war.

Laut Erkenntnissen der US-Justiz-Statistikbehörde aus dem Jahr 2014 bringen aus der Haft entlassene Mörder oder Totschläger nur noch sehr selten erneut jemanden um. Das belegen von der Journalistin Nancy Mullans erhobene Daten, die über einen Zeitraum von 20 Jahren das Schicksal von fast 1000 freigelassenen verurteilten Mördern in Kalifornien verfolgte. Kein einziger stand nach Haftentlassung wegen Mordes erneut vor Gericht, nur ein Prozent wurde überhaupt wieder straffällig.

Sind das nicht Fakten, die überzeugen? Muss da nicht landesweit die Todesstrafe abgeschafft werden? Wer so rational argumentiert, hat es in den USA schwer in diesen Tagen. Was will man erwarten von einem Land, dessen Präsident behauptet, es gäbe keine globale Erwärmung, schließlich schneie es im Winter immer noch kräftig?

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