"Durch Trumps Entscheidungen werden Menschen sterben"

19.1.2017, 06:00 Uhr

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Vor rund drei Jahren zog Daniel Storck aus Nürnberg in die USA. Der 28-Jährige wollte sich nach seinem Studium orientieren, machte ein Praktikum in der Millionenstadt New York und hatte einen Partner, der dort auf ihn wartete. Eine Greencard brauchte er nicht. Seine Mutter ist gebürtige New Yorkerin und er kannte die Stadt von zahlreichen Besuchen. Heute arbeitet er als Koch in mehreren mexikanischen Restaurants und fühlt sich angekommen in der Stadt.

Für Politik interessierte er sich nie besonders stark. Als Obama in seine erste Amtszeit gewählt wurde, machte Storck, der die deutsche und die amerikanische Staatsbürgerschaft hat, sein Kreuz beim späteren Präsidenten. Dass es jemals nötig sein würde, mehr zu tun, als nur wählen zu gehen, hätte er nie gedacht. Nun wird Donald Trump der amerikanische Präsident.

Vieles, auch im Vorfeld der Wahlen, bereitet ihm Unbehagen. Das amerikanische Wahlsystem ist seiner Meinung nach veraltet, die Lügen, die während des Wahlkampfs verbreitet wurden, und auch das Kabinett, das Trump in Aussicht stellte, beunruhigen ihn: "Ich habe das Gefühl, die gesamte Wahrheitswahrnehmung der Amerikaner hat sich verändert. Jemand, der offenkundig Lügen verbreitet und abfällig über Menschen und ganze Nationen spricht, wird Präsident der Vereinigten Staaten? Das ist mir unbegreiflich."

Nach den Wahlen im November lag etwas in der Luft über New York, das er noch nie zuvor gespürt hatte. Frauen weinten auf offener Straße und es war seltsam still in der Stadt. "Freunde erzählten mir, dass die Stimmung ganz ähnlich war wie damals kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001", berichtet Storck. Es war ein absoluter Ausnahmezustand und nicht mit anderen Wahlniederlagen vergleichbar. Tage später demonstrierten Tausende New Yorker gegen das Wahlergebnis. "Natürlich wusste man, dass das Ergebnis nicht zu kippen ist, es war aber vielen wichtig, die Wut und Verzweiflung auf der Straße herauszuschreien."

Homosexuelle haben Angst um ihre Rechte

Besonders als Homosexueller befürchtet Storck negative Veränderungen für die Freiheit von Schwulen und Lesben. Der neue Vizepräsident unter Trump, Mike Pence, hat sich offenkundig für die sogenannte Konversionstherapie ausgesprochen – eine oft von Konservativen geforderte Pseudo-Therapie, die zum Ziel hat, Homosexuelle zu Heterosexuellen zu erziehen. "Viele meiner Freunde sind verheiratet und befürchten, dass die Gesetze für gleichgeschlechtliche Ehen geändert werden könnten. Dadurch würden ihnen viele Rechte geraubt werden" so Storck.

New York hat der gebürtige Nürnberger als ein sehr offenes, multikulturelles und tolerantes Pflaster kennen und lieben gelernt. Rund 60 Prozent der New Yorker Wähler haben für Hillary Clinton gestimmt und auch die Stadtspitze kündigte an, sich notfalls gegen die neue Regierung zu verteidigen. Trump repräsentiere in seinen Augen das genaue Gegenteil dieser Werte. Besonders die Arroganz gegenüber anderen Ländern und Minderheiten, mit der Trump immer wieder auftritt, machen in seinen Augen partnerschaftliche Verhältnisse zum Ausland völlig zunichte: "Er will Mauern bauen und andere ausschließen, die Einwanderung stoppen und so die Vielfalt und Offenheit zerstören."

Die Ärmeren, vor allem auch der arbeitende Mittelstand, werden nach Storcks Meinung besonders leiden. Schon jetzt kündigte Trump an, "Obamacare", das einen Versicherungsschutz für Nicht-Versicherte gesetzlich regelt, abzuschaffen. Ein Ersatzsystem hat der künftige US-Präsident noch nicht vorgestellt. Auch soziale Einrichtungen wie beispielsweise "Planned Parenthood", das unerfahrene Menschen anonym in gynäkologischen Fragen berät, erhält keine finanzielle Unterstützung mehr. "Die Lage ist prekär. Durch Donald Trumps Entscheidungen werden Menschen sterben", so seine finstere Prognose.

Gemeinsam mit Freunden will Daniel Storck einen Tag nach Trumps Amtseinführung am 20. Januar bei einer Demo mit rund 200.000 anderen Menschen auf die Straße gehen. Beim "Women's March on Washington" zeigen sich Männer und Frauen gemeinsam solidarisch mit den Gruppen, die unter Donald Trump gelitten haben und noch leiden werden. Eben das ist der Grund, warum Daniel nicht seinem ersten Impuls gefolgt ist, einfach seine Koffer zu packen und zurück nach Deutschland zu kommen. "Gerade jetzt ist es wichtig, dass gute Leute im Land bleiben. Als amerikanischer Staatsbürger habe ich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Wir Bürger müssen uns nun gegenseitig unterstützen und uns um die Benachteiligten kümmern," sagt er. "Die neue Regierung wird es nicht tun."

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