Ein verwirrender Flickenteppich

29.5.2016, 19:14 Uhr
Ein verwirrender Flickenteppich

© Holger Hollemann / dpa

Das Problem wird keinesfalls kleiner. Derzeit sind in Deutschland rund 700 000 muslimische Kinder schulpflichtig. Und der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung wird in den kommenden Jahren, auch durch vermehrte Zuwanderung, von heute fünf Prozent auf dann etwa sieben Prozent steigen.

Aber selbst nach vielen Jahren der Diskussion über das Fach islamische Religion und verschiedenen Modellversuchen in den einzelnen Bundesländern bekommt immer noch nur eine Minderheit der Kinder und Jugendlichen diesen Unterricht. In Bayern sind es gut 11 000 von über 60 000, die dafür infrage kämen.

Wertvoller Beitrag

Dabei ist der Nutzen eines islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen seit den ersten zarten Anfängen vor 15 Jahren völlig unumstritten. Bei muslimischen Verbänden, bei den Schulbehörden, bei Wissenschaftlern und allen Akteuren im Bereich Integration gilt er grundsätzlich als höchst wertvoller Beitrag zur Eingliederung von Bürgern mit Migrationshintergrund und starker Stabilisierungsfaktor für Schüler muslimischen Glaubens in der Mehrheitsgesellschaft. In Zeiten des wachsenden islamistischen Terrors wird auch die Schutzfunktion vor extremistischen Haltungen hervorgehoben.

Das Plädoyer des EKD-Ratsvorsitzenden und bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm für einen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht kann man deshalb auch als stille Mahnung an die beiden wichtigsten Partner verstehen, nämlich an die staatlichen Stellen und die muslimischen Verbände.

Die Muslime mögen sich doch so organisieren, dass sie klare Ansprechpartner für den Staat bieten, hat der Bischof empfohlen. Seine katholischen Glaubensbrüder stehen ebenfalls seit langem fest hinter der Einführung des Faches islamische Religion. Sie bewerten die „Experimente“, wie die katholischen Bischofskonferenz das nennt, in den verschiedenen Bundesländern „je nach den vorliegenden Konzepten unterschiedlich“. Nach voller Zustimmung klingt das nicht.

In der Tat haben die Verantwortlichen in Deutschland einen wahren Flickenteppich hervorgebracht. Eine Ausnahme bilden die neuen Bundesländer. Dort stellt sich das Problem islamischer Religionsunterricht vorerst kaum — allerdings nur mangels Schülern. Ansonsten ist die Vielfalt praktizierter Lösungen mit unterschiedlichen Akzenten groß.

Von einem Modellprojekt wie in Bayern spricht auch das Land Baden-Württemberg. Hier gibt es als beratende Instanz einen Beirat. Dort sitzen Vertreter verschiedener islamischer Verbände und Experten für die fachwissenschaftliche und -didaktische Ausbildung der Lehrer zusammen.

Ein verwirrender Flickenteppich

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Hessen wiederum hat zwei muslimische Verbände offiziell als Kooperationspartner für einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht anerkannt, nämlich den Landesverband der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) und Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ). Beide haben jeweils eigene Lehrpläne. In anderen Bundesländern gibt es Staatsverträge mit Islam-Verbänden oder Mischformen.

Bis 2020 stark ausgebaut

Der sogenannte Modellversuch „Islamischer Unterricht“ in Bayern begann 2001 in Erlangen. Engagierte Wissenschaftler der Universität und betroffene Eltern haben ihn damals auf den Weg gebracht. Er soll bis 2020 stark ausgebaut werden. Eine Religionsgemeinschaft hat der Freistaat bisher noch nicht anerkannt. Das hat in jüngster Zeit zu heftiger Kritik von islamischer Seite geführt.

Ditib-Vertreter sprachen zum Beispiel offen von einem Verfassungsbruch des Staates. Sie drohten sogar damit, das bestehende Unterrichtsangebot zu boykottieren.

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