Eine Oper, die Nürnberg Ruhm und Elend einbrachte

21.6.2018, 06:00 Uhr
Eine Oper, die Nürnberg Ruhm und Elend einbrachte

© Ludwig Olah

Wagners Mäzen Ludwig II. schob den Komponisten während des anhaltenden und lautstarken Schlussbeifalls in die erste Reihe der Königsloge, zog sich in den Hintergrund zurück und ließ Wagner die Huldigungen genießen.

Das war für alle Monarchisten und insbesondere den Hofstaat ein unmöglicher Affront. An dieser Stelle hatte man dem Staatsoberhaupt zuzujubeln, aber doch nicht einem halbseidenen Künstler, der immer noch auf der Fahndungsliste des Königreich Sachsens und zahlreicher Gläubiger von Riga bis Paris stand.

Für Wagner die Stelle, die ihm gebührte

Aus Wagners Sicht war dieser Balkon die Stelle, die ihm gebührte: Eben hatte er mit seiner Variation des Shakespearschen "Sommernachtstraum" die Utopie einer hierarchiefreien Stadtgesellschaft beschworen und drei Jahre vor der Gründung des Deutschen Reiches klargemacht, was das eigentliche Einigungsband aller deutschen Stämme war: Die Kunst.

Eine Oper, die Nürnberg Ruhm und Elend einbrachte

© Ludiwg Olah

Dass Wagner mit den "Meistersingern" eine Art Nationaloper komponiert hatte, die immer dann bemüht wurde, wenn es galt, ein bedeutendes Theater in Deutschland neu oder wieder zu eröffnen, dürfte ihm sehr recht gewesen sein, auch wenn er es selbst gar nicht mehr erlebte. Unter anderem wurden 1901 das Münchner Prinzregententheater, 1902 die Oper Köln oder 1905 natürlich das neue Nürnberger Opernhaus mit den "Meistersingern" eröffnet, aber auch der einzige Opernneubau der DDR in Leipzig (1960), das wiedererrichtetete Münchner Nationaltheater (1963) oder das Aalto-Theater in Essen (1988).

Meistersinger errangen weltweite Popularität

Ohne Zweifel bedeutete und bedeutet dieses Theaterstück für die Stadt Nürnberg weltweite Popularität. Ähnlich wie bei Rossinis "Barbier von Sevilla" ist das Werk aufs engste mit der Meistersinger-Bewegung in der Renaissance, mit dem Patriziarchat und altfränkischer Idiomatik verbunden. Vor wenigen Wochen wurde es nun auch in Peking gezeigt.

Eine Oper, die Nürnberg Ruhm und Elend einbrachte

© Repro: Stadtarchiv

Wenn man Wagner selbst in seiner Autobiographie "Mein Leben" Glauben schenken darf, fand die Initialzündung für das Stück tatsächlich in Nürnberg statt. 1835 weilte Wagner zu Besuch bei seiner Schwester und seinem Schwager, die beide am Nürnberger Theater engagiert waren. Hier hörte er die große Gesangstragödin Wilhelmine Schröder-Devrient bei einem Gastspiel. Diese Sängerin mit ihrem hochdramatischen Sopran bildete fortan eines seiner Stimmideale.

Bei dieser Gelegenheit soll Wagner dann auch eine nächtliche Wirtshaus-Rauferei miterlebt haben, die er dann später zur "Prügelszene" am Ende des 2. Akts der "Meistersinger" ausbaute.

Wagner kam nicht zur Nürnberger Erstaufführung

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© Repro: GNM

Es dauerte es bis zum 24. März 1874 bis sich auch in Nürnberg erstmals der Vorhang für die "Meistersinger" hob. Der Komponist selbst residierte zwar mittlerweile in Bayreuth, war aber mit der Vollendung seiner "Ring"-Tetralogie und der Errichtung seines Festspielhauses so ausgelastet, dass er nicht zur Nürnberger Erstaufführung anreiste.

Der Dichterkomponist war allerdings so stolz auf sein Werk, dass er die Originalpartitur 1867 sogar zum Weihnachtsgeschenk für Ludwig II. machte. Und das war im Nachhinein ein großes Glück für Nürnberg: Denn die Wittelsbacher schenkten dem Germanischen Nationalmuseum die wertvolle Handschrift 1902 zum 50-jährigen Bestehen. Seither wird sie hier verwahrt. Alle anderen originalen Opernpartituren Richard Wagners sind übrigens verschollen. Der Verband der deutschen Industrie schenkte sie Adolf Hitler 1938 zu dessen 50. Geburtstag. Seither waren sie nicht mehr gesehen. Zu vermuten steht, dass sie in der Reichskanzlei verbrannten.

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