Eingebürgerte behalten ihren alten Pass - ja und?

10.8.2018, 12:03 Uhr
Es wäre schlicht irrational, wenn jemand ohne gesetzliche Vorschrift seine alte Staatsbürgerschaft aufgeben würde, wenn er doch beide behalten darf.

© Rolf Vennenbernd (dpa) Es wäre schlicht irrational, wenn jemand ohne gesetzliche Vorschrift seine alte Staatsbürgerschaft aufgeben würde, wenn er doch beide behalten darf.

Nüchterne Zahlen, große Aufregung: Sechs von zehn Menschen, die vergangenes Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft bekamen, behielten ihren alten Pass - das schreibt das Statistische Bundesamt. Und der Aufschrei im Netz ist groß, Tenor: Die Eingebürgerten hätten ihre alte Staatsbürgerschaft aufgeben müssen. 

Meinungsbeiträge sind aber immer dann unehrlich, wenn sie Menschen ein bestimmtes Verhalten vorschreiben wollen, das derjenige, der diese Meinungen äußert, selbst nicht an den Tag legen würde. Die Debatte um Eingebürgerte ist ein gutes Beispiel hierfür.

Denn es wäre schlicht irrational, wenn jemand ohne Not und gesetzliche Vorschrift seine alte Staatsbürgerschaft aufgeben würde, wenn er doch beide behalten darf. Viele, die nun laut aufschreien, würden - wenn sie ehrlich zu sich selbst sind - doch genauso handeln, wenn sie im Ausland lebten.

Was nun auch wieder zu hören und zu lesen ist: Integriert sei doch nur, wer sich klar zwischen zwei Ländern entschieden habe. Wer die #MeTwo-Debatte verfolgt, bekommt einen Eindruck davon, dass das gar nicht so einfach ist, wenn jemand sich in seinem Äußeren von der deutschen Mehrheitsbevölkerung unterscheidet.

Dass sich viele in Deutschland lebende Migranten wieder der Kultur ihrer Heimatländer zuwenden, hat nämlich nicht immer mit fehlender Integrationswilligkeit zu tun (ja, auch die gibt es), sondern auch damit, dass sie in Deutschland, das sie gern zu ihrer neuen Heimat machen würden, auf Ablehnung und Alltagsrassismus stoßen.

Viele reden sich leicht

Sich klar zwischen zwei Staaten zu entscheiden, ist ohnehin eine Forderung, die fast ausschließlich von Menschen kommt, die ihr ganzes Leben in einem Land verbracht haben - und die reden sich natürlich leicht. Ihnen sei empfohlen, sich einmal mit Migranten zu unterhalten. Vielleicht bekommen sie dann einen Eindruck, was es heißt, in zwei Ländern, zwei Kulturen zuhause zu sein.

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