Erfolg für einen Mörder und einen Dieb

5.5.2011, 00:00 Uhr

An einem heißen Junitag vor fast 13 Jahren wurde ein 19-Jähriger in einem Waldstück bei Kelheim zum Mörder. Er überfiel eine 31-jährige Joggerin, drückte ihr mit einem Ast den Kehlkopf zu und erwürgte sie mit einem Bremsseil. Dann befriedigte er sich neben der Sterbenden selbst. 14 Monate nach der Tat wurde er durch einen DNA-Massentest geschnappt.

Therapie scheiterte

Zu zehn Jahren Gefängnis verurteilte ihn das Landgericht Regensburg damals. Mehr erlaubte das Jugendrecht zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Therapie, die er in der Haft bekam, scheiterte. Die Gewaltfatasien des jungen Mannes verstärkten sich.

Immerhin vertraute er sich einem Gutachter an. Doch genau das brachte ihm eine unbefristete Verlängerung seines Aufenthalts hinter Gittern ein. Denn wenige Tage vor Ende seiner Strafthaft trat das Gesetz über die nachträgliche Sicherungsverwahrung von Jugendlichen in Kraft. Es war extra für den jungen Mörder aus Kelheim geschaffen worden. Und wurde dann sofort an ihm angewandt.

Der jetzt 33-Jährige ist einer der vier Beschwerdeführer, die gestern in Karlsruhe Recht bekamen. Die für sich und andere die Feststellung erstritten, dass die Praxis der Sicherungsverwahrung gegen das Grundrecht auf Freiheit verstößt. Und dass die nachträgliche und die rückwirkend verlängerte Sicherungsverwahrung zudem gegen das Vertrauensschutzgebot verstoßen. Gegen das Gebot, dass jeder Bürger auf eine einmal getroffene Entscheidung des Staates über die Dauer eines Freiheitsentzugs vertrauen darf.

Adam Ahmed, der Münchner Rechtsanwalt des 33-Jährigen, nahm die Entscheidung mit verhaltener Freude auf. Er weiß, dass trotz allem noch ein langer Weg zu gehen ist, ehe sein Mandant in Freiheit kommen kann. Das Landgericht Regensburg muss jetzt über den Fall neu entscheiden. Es muss prüfen, ob der 33-Jährige zur Zeit besonders gefährlich ist und ob er an einer psychischen Störung leidet. Denn falls beides zutrifft, darf er laut dem Verfassungsgericht doch weiter weggesperrt werden.

Ahmeds Berliner Kollege Sebastian Scharmer dagegen, der den zweiten Beschwerdeführer aus Bayern vertrat, sprach von einem „90-prozentigen Sieg“. Sein Mandant wird bald ein Leben in Freiheit beginnen können, da ist der Anwalt sicher.

Scharmers Mandant ist ein Einbrecher und Dieb. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er deshalb im Gefängnis. Ziele seiner Einbrüche waren die Wohnungen alleinstehender Frauen gewesen. 1978 hatte er jedoch auch eine Frau vergewaltigt. Seine letzte Strafe erhielt er 1995: Elf Jahre Haft und Sicherungsverwahrung wegen mehrfachen Diebstahls.

Kostbare Plätze

Damals galt für das Wegsperren nach der Strafe eine Höchstgrenze von zehn Jahren. Dann wurde die Höchstgrenze aufgehoben — und auch der Dieb musste unbefristet weitersitzen. Erst wurde ihm Therapieverweigerung vorgeworfen. Als er dann eine Therapie wollte, wurde sie ihm verwehrt — die kostbaren Plätze seien Gewalttätern vorbehalten.

Es sind auch solche Vorkommnisse, die das Verfassungsgericht zu seinem gestrigen Urteil bewogen. Das Gericht fordert vom Gesetzgeber in Zukunft weit mehr Bemühungen, mit Inhaftierten an deren Defiziten zu arbeiten und ihnen so die Chance auf ein Leben in Freiheit einzuräumen.