Erste bundesweite Flüchtlingszeitung "Abwab" erscheint

15.2.2016, 12:15 Uhr
Ramy Al-Asheq ist Chefredakteur von "Abwab". Er arbeitet von zuhause aus.

© dpa Ramy Al-Asheq ist Chefredakteur von "Abwab". Er arbeitet von zuhause aus.

Ramy Al-Asheqs Laptop will nicht so, wie er will. Er möchte eine Karikatur zeigen, für die nächste Ausgabe seiner Zeitung. Aber der Computer hängt. Er lädt und lädt und lädt, bevor das Bild endlich auftaucht. Al-Asheq kommentiert es recht trocken: "Das ist ein Laptop für Flüchtlinge", sagt der 26-Jährige. Er lacht. 

Der Neu-Kölner Ramy Al-Asheq hat ein gutes Gespür dafür, wie die Diskussion über Flüchtlinge in Deutschland gerade läuft, wie sie von den Flüchtlingen selbst wahrgenommen wird und worüber man auch mal einen Witz machen kann. Der syrisch-palästinensische Journalist ist Chefredakteur von "Abwab", einer bundesweiten arabischsprachigen Zeitung für Flüchtlinge. Die Herausgeber betrachten sie als einzige dieser Art in Deutschland. 

"Wir wollen einen eigenen Blick auf die Ereignisse haben", erklärt Al-Asheq. Er sitzt in seiner Wohnung in einem Kölner Hochhausbau. In der Ecke steht ein Globus, auf dem Schreibtisch liegt ein Wörterbuch "arabisch-deutsch, deutsch-arabisch". Wenn man so will, ist die Wohnung die Redaktionszentrale von "Abwab". Die Autoren sind über die Bundesrepublik verstreut, der 26-Jährige steuert sie von Köln aus. 

Themen aus der Heimat und der Bundesrepublik

Einen Teil der Zeitung machen Nachrichten aus der arabischsprachigen Community aus. Die meisten Flüchtlinge könnten noch kein Deutsch, sagt Al-Asheq, der auch selbst noch viel Englisch spricht. "Gleichzeitig sind auf Facebook viele falsche Nachrichten unterwegs". Dagegen arbeite man an. Neben Nachrichten aus den Heimatländern setzt er wichtige Themen aus Deutschland. In der Ausgabe nach Silvester schreibt eine syrische Autorin über sexuelle Übergriffe. 

Al-Asheq und seine Kollegen verfolgen aber auch eine Art Bildungsauftrag: Sie wollen Deutschland erklären. Was ist eigentlich rheinischer Karneval? Warum geht es im ersten Artikel des Grundgesetzes um die Menschenwürde und nicht - das nennt Al-Asheq als Beispiel - um die Religion des Präsidenten? Oder ganz praktisch: Wo muss ich mich registrieren, wenn ich in Deutschland ankomme? 

Ramy Al-Asheq ist selbst ein Geflohener. In Syrien habe er in Haft gesessen, weil er friedlich gegen das Assad-Regime demonstriert habe, berichtet er. Ein Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung ermöglichte es ihm, 2014 nach Deutschland zu kommen. Eine Zeit lang lebte er im ehemaligen Sommerhaus von Heinrich Böll, in dem auch andere Künstler Zuflucht finden. Mittlerweile hat er mehrere Bücher geschrieben. 

Verstehen, wie Deutschland funktioniert

Der Krieg und die Zerstörung in Syrien spielen immer noch eine große Rolle für ihn - und auch für die Zeitung. "Die Deutschen bauten ihren Staat von null wieder auf. Eigentlich war es sogar aus dem Minus", sagt Al-Asheq. Er glaubt: Wer ein bisschen versteht, wie Deutschland funktioniert, trägt das Wissen vielleicht irgendwann in seine Heimat. 

Die Zeitung wird überall dort verteilt, wo Flüchtlinge leben. Sie erscheint monatlich und ist kostenlos - finanziert über Werbung. Der Anstoß sei aus der Wirtschaft gekommen, erklärt Necati H. Dutar, der für das Marketing des Blattes zuständig ist. Die wachsende arabischsprachige Community sei für Firmen interessant. Ende 2015 erschien die erste Ausgabe. Die Sponsoren kamen aus der Telekommunikations- und Geldtransferbranche. 

Der Kommunikationswissenschaftler Armin Scholl von der Uni Münster betrachtet "Abwab" - was übersetzt "Türen" heißt - zunächst als Beitrag zur Integration. "Weil es den Ankommenden hilft, sich zu orientieren." Die Perspektive, die eine solche Zeitung einnehme, könne ein Stück Gewohnheit in einem neuen Land bedeuten. Auf Dauer müsse man natürlich im Blick behalten, ob dadurch nicht der Wille untergraben wird, sich in die neue Kultur einzuarbeiten. 

Ramy Al-Asheq ist da ähnlicher Meinung: "Ich denke, dass es nicht gut ist, ein Land im Land zu machen, eine Community in der Community", sagt er. "Das habe ich in Berlin schon gesehen. Ich würde gerne eine andere Lösung finden."