Erster Prozesstag in Regensburg: Mollaths alte Ängste

8.7.2014, 06:00 Uhr
Erster Prozesstag in Regensburg: Mollaths alte Ängste

© dpa

Gustl Mollath bleibt sich treu. Er gibt sich keineswegs damit zufrieden, dass sein Anwalt Gerhard Strate gerade eben vor der 6. Strafkammer des Regensburger Landgerichts ausführlich begründet hat, was aus seiner Sicht gegen die Anwesenheit des renommierten Psychiatrie-Gutachters Professor Norbert Nedopil spricht. Nein, Mollath will jetzt unbedingt noch einmal selbst dazu Stellung nehmen.

Abgesprochen war das mit seinem Anwalt offensichtlich nicht. „Herr Mollath . . .“, zischt Strate leicht ungehalten, als dieser anhebt. Der prominente und erfahrene Anwalt lässt schließlich die Verhandlung sogar kurz unterbrechen, um sich mit seinem Mandanten zu beraten. Man kann sich vorstellen, dass er ihm deutlich zur Zurückhaltung rät.

Minutiöses Protokoll

Aber so kennt man den heute 57-jährigen Nürnberger. Er gibt das Heft nicht gerne aus der Hand, mit einem manchmal etwas zu ausgeprägtem Hang zur Unbeugsamkeit verfolgt er, was er sich in den Kopf gesetzt hat, vor der großen Bühne hat er kaum Scheu. Und die Bühne ist heute sehr groß.

Aus ganz Deutschland sind Berichterstatter zum Auftakt des neuen Prozesses gegen Gustl Mollath nach Regensburg angereist. Die paar Meter vom Taxi bis zum Gerichtsgebäude begleitet ihn eine Traube von Kameramännern, Radioleuten und Fotografen. Bereitwillig antwortet er auf deren Fragen. Strate schubst ihn da schon leise verbal voran.

Im Gerichtssaal hat Mollath seinen eigenen Aktenstapel vor sich liegen. Er protokolliert den Fortgang der Verhandlung minutiös. Immer wieder wirft er den Blick auf die Uhr, die ihm gegenüber an der Wand hängt, und macht sich eifrig Notizen. Man könnte denken, er ist tatsächlich ein Einzelkämpfer in einem jahrelangen Kampf um Gerechtigkeit. Dabei hat er neben Gerhard Strate noch zwei weitere Anwälte an seiner Seite.

Strate versucht zunächst vor allem, das Gericht unter der Vorsitzenden Elke Escher dazu zu bewegen, Nedopils Gutachterauftrag zurückzunehmen. „Herr Mollath hegt aufgrund seiner Erfahrungen mit der Psychiatrie ein abgrundtiefes Misstrauen gegen den Sachverständigen“, führt der Anwalt aus, „dessen Anwesenheit löst bei ihm schwere Beklemmungen aus, weil er das Gefühl hat, jede Zuckung wird registriert.“ Solange Nedopil mit in der Verhandlung sitze, werde Mollath von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Ausgewiesen freundlich

An dieser Stelle nun erbittet Mollath selbst noch zur sichtlichen Überraschung Strates von der Vorsitzenden Richterin in ausgewiesener Freundlichkeit das Wort, um seinen Anwalt zu „ergänzen“. Zuvor fragt er sie fast untertänig um Erlaubnis, ob er einen Schluck Wasser zu sich nehmen dürfe. Er holt dann aus seiner Tasche ein in einer Plastiktüte verpacktes Plastikglas samt bunter Serviette hervor. Die grüne Getränkeflasche hält er in Richtung Zuhörerraum mit der erheiternden Bemerkung: „Das ist Regensburger Leitungswasser.“

Er könne sich, sagt er dann, nicht „frank und frei“ verteidigen, solange das „Damoklesschwert“ Nedopil über ihm schwebe. Die Reaktion, welche die Anwesenheit des Sachverständigen in ihm auslöse, sei sicher denen von „Kriegstraumata“ nicht unähnlich. Er beruft sich mehrfach auf das Grundgesetz und die EU-Menschenrechtscharta. Er fürchte, dass ihm am Ende wieder die „Wundertüte eines Gutachtens“ übergestülpt werde. Bekanntlich haben Gutachter und Gerichte dafür gesorgt, dass Gustl Mollath über sieben Jahre zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht wurde. Erst im vergangenen August kam er wieder frei.

Für Elke Escher, der Vorsitzenden Richterin, ist das geharnischte Auftreten Mollaths die erste Bewährungsprobe für wünschenswerte Gelassenheit. Sie besteht sie mit Bravour. „Ich kann bei Ihren negativen Erfahrungen nachvollziehen, dass Ihnen die Anwesenheit eines Psychiaters unangenehm ist“, antwortet sie Mollath in einem fast mütterlich-sanften Ton, „das glaube ich Ihnen.“ Sie beruhigt Mollath regelrecht.

Ob es überhaupt zu einer Begutachtung kommt, „das ist völlig offen“. Aber um die Anwesenheit eines Sachverständigen komme man in diesem Verfahren nach der Strafprozessordnung keinesfalls herum, erklärt sie in unangestrengter Geduld. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth aus dem Jahr 2006 habe damals nun mal die Unterbringung des Angeklagten in der Psychiatrie angeordnet, deshalb „haben wir das Thema auch hier“, sagt Elke Escher, nicht ohne hinzuzufügen: „Das ist aber ganz wertneutral.“ Im Ergebnis bleibt sie bestimmt: „Der Sachverständige bleibt.“

Schwere Körperverletzung

Das aufsehenerregende und im vergangenen Jahr bei der Justiz höchst umkämpfte Wiederaufnahmeverfahren, welches das Nürnberger Oberlandesgericht am Ende anordnete, ist im Kern eine Wiederholung dieses Prozesses von 2006. Das heißt, Mollath ist in Regensburg wieder wegen schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt. Er soll seine damalige Ehefrau misshandelt und eingesperrt sowie die Reifen ihm missliebiger Personen zerstochen haben.

Vor acht Jahren war Mollath wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und in die Forensik eingewiesen worden. Er unterliege einem krankhaften Wahn und sei eine Gefahr für die Allgemeinheit. So lautete damals das Urteil des Nürnberger Gerichts. Es ist heute höchst umstritten.

Hintergrund waren jahrelange Streitereien des Ehepaars Mollath um die Tätigkeiten der Frau als Mitarbeiterin der HypoVereinsbank in Nürnberg. Gustl Mollath hatte ihr illegale Geldgeschäfte vorgeworfen und immer massiver gedroht, dies publik zu machen. Die Nürnberger Justiz hatte das seinerzeit als Wahngebilde eines Kranken eingestuft. Dass sein Verdacht völlig aus der Luft gegriffen ist, gilt heute als widerlegt.

Gerhard Strate, der Anwalt Mollaths, hat in Regensburg dazu einen umfassenden Beweisantrag gestellt. Er will reihenweise damalige Mitarbeiter bis hinauf zur Führungsriege der HypoVereinsbank vors Gericht zitieren lassen. Über diese Beweisanträge will das Gericht später entscheiden. Sie könnten eine Rolle spielen, wenn es um die Glaubwürdigkeit der Ex-Frau Mollaths geht. Der Prozess wird heute fortgesetzt.

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