"Es gibt auch berechtigte Kritik"

20.2.2018, 21:25 Uhr

© Uli Deck (dpa)

"Gesamtnote 1,0" – das Resultat auf der Jameda-Profilseite von Dr. Martin Wunderer kann sich sehen lassen. Der Nürnberger Internist und Hausarzt ist nie Mitglied in dem Ärzte-Bewertungsportal geworden, er hat kein Profil erstellt, keine Bilder oder sonstigen Informationen hochgeladen, muss aber – wie alle anderen Ärzte im Land – dulden, dass er dort gelistet und bewertet wird. Daran ändert auch das gestrige Urteil des Bundesgerichtshofes nichts.

Wunderers gute Note ergibt sich aus den Bewertungen. Acht Patienten haben ihre Erfahrungen beschrieben. "Kompetent", schreiben viele. Lob gibt es für die Freundlichkeit, Tadel allenfalls für die schwierige Parkplatzsituation am Rathenauplatz – aber die ist kaum dem Arzt anzulasten.

"Ich lese diese Bewertungen ohnehin nur selten", sagt Wunderer. "Ich schaue vielleicht ein bis zwei Mal im Jahr rein." Vor einigen Jahren kassierte der 53-Jährige eine schlechte Bewertung: "Ich glaube, es war eine glatte Fünf." Kurz überlegte Wunderer, ob er versuchen solle, sich zu wehren, entschied sich aber dagegen. Oft würden Patienten, die sich schlecht behandelt fühlen, gleich in allen Kategorien schlechte Noten verteilen – von der Terminvergabe über die Gemütlichkeit des Wartezimmers bis hin zum Angebot an "alternativen Heilmethoden". "Manchmal projizieren Menschen die Frustration über ihre Krankheit auf den Arzt", vermutet Wunderer. "Aber es gibt natürlich auch berechtigte Kritik." Die Nutzer solcher Portale könnten das aber schon einordnen, wenn sich unter der überwiegenden Mehrheit guter Bewertungen eine befände, die völlig aus dem Rahmen fällt.

Wunderer hält die Bedeutung der Portale ohnehin für überschätzt. Nur wegen guter Bewertungen habe er nicht wesentlich mehr Zulauf. "Meine Patienten kommen aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda oder weil ich für sie günstig erreichbar bin, aber Jameda ist sicher nur für die wenigsten das Hauptkriterium."

Doppelt so viele Patienten wie früher

Da widerspricht Sven Hoh. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der seine Praxis am Maxtor hat, nimmt durchaus wahr, dass Patienten, die neu zu ihm kommen, über Portale auf ihn aufmerksam wurden. "Auch wenn wir über Jameda jammern, muss man sehen, dass Jameda Patienten verschiebt – hin zu denen, die gut bewertet sind. Das wollen natürlich die mit schlechten Bewertungen nicht." Hoh hat eine Gold-Mitgliedschaft abgeschlossen, für die Jameda 69 Euro im Monat verlangt. Die Kombination aus 124 fast ausschließlich sehr guten Kritiken seiner Patienten und der besseren Platzierung seines Profils dank der Mitgliedschaft habe sich bemerkbar gemacht: "Seit ich bei Jameda ganz vorne dabei bin, habe ich doppelt so viele Patienten – ganz klar."

Hoh sieht aufgrund des BGH-Urteils die Position von Jameda gestärkt. Zwar habe er Verständnis für Kollegen, die sich ärgern, wenn Werbung für Konkurrenz auf ihren eigenen Profilseiten angezeigt wird. Das habe der BGH zu Recht untersagt. "Aber das Kerngeschäft, nämlich das Sammeln von Bewertungen, ist bestätigt worden."

Was Hoh an den Portalen stört, ist die Anonymität. Würde Kritik mit Klarnamen geäußert, könnte er damit besser umgehen. Wer aber anonym kritisiert, bediene sich oft unfairer Sprache. Trotz seiner vielen positiven Kritiken nehme er sich jede einzelne negative zu Herzen, sagt der 46-Jährige. "Das Problem ist, dass ich mich auf den Portalen nicht mit den Leuten auseinandersetzen kann, selbst wenn sie mich wüst beschimpfen."

Allgemeinmediziner Dr. Veit Wambach, Vorsitzender des Gesundheitsnetzes Qualität und Effizienz Nürnberg, liest zwar "gelegentlich", was Patienten bei Jameda über ihn schreiben, stört sich aber am profitorientierten Charakter. Transparenter sei ohnehin die von der Bertelsmann-Stiftung initiierte und von den Krankenkassen unterstützte Weiße Liste. Diese habe zwei Vorteile: "Erstens kann kein Freitext eingetragen werden, was immer dazu verleitet, Emotionen loszuwerden", sagt der seit 36 Jahren niedergelassene Arzt. "Außerdem muss ein Arzt mindestens fünf Bewertungen haben, bevor diese sichtbar sind."

Kritik ist richtig und wichtig – auch die negative

Wambach hält die diversen Bewertungsportale für "einen ganz wichtigen Teil des Qualitätsmanagements". Die Rückmeldung durch die Patienten, die von den Krankenkassen sogar angehalten werden, sich an der Weißen Liste zu beteiligen, sei von hoher Bedeutung, sagt der 60-Jährige. Zwar ärgere er sich manchmal über eine schlechte Bewertung, sehe aber vor allem den Anreiz zur Verbesserung: "Auch an negativen Rückmeldungen ist ja meistens etwas dran", sagt Wambach, "dann muss ich mir doch überlegen, was ich tun kann, um das in Zukunft zu vermeiden."

Oft seien Kommunikationsprobleme Anlass für schlechte Bewertungen: "Nicht alles, was der Patient will, ist auch machbar. Manchmal denke ich mir dann, dass ich einem Patienten eine Entscheidung, die ich gefällt habe, besser hätte erklären müssen."

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