Europas Dilemma mit den Flüchtlingen im Mittelmeer

18.7.2017, 13:02 Uhr
Die Szene aus einem Video der italienischen Küstenwache zeigt die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer.

© Guardia Costiera/dpa Die Szene aus einem Video der italienischen Küstenwache zeigt die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer.

Es stimmt schon: Österreichs Drohungen mit strengen Kontrollen am Brenner sind dem Wahlkampf geschuldet; vor allem die konservative ÖVP will keine Stimme an die rechtspopulistische FPÖ verlieren. Die Umsetzung wäre übrigens gar nicht so leicht; schließlich braucht Wien dazu die Genehmigung der Brüsseler EU-Kommission.

Es stimmt auch: Dass Italien die Verlängerung der "Sophia"-Mission blockiert, ist ein Hilferuf. Denn die geretteten Flüchtlinge aus dem Mittelmeer werden, ob von Marine-Schiffen oder durch private Seenotretter, allesamt nach Italien gebracht. Mit den daraus resultierenden Aufgaben und Kosten aber lässt die Gemeinschaft Rom allein.

Vor allem aber stimmt: Die Zustände vor der libyschen Küste sind absurd. Denn die Anwesenheit der Retter in internationalen Gewässern provoziert weitere Flüchtlinge geradezu - und bringt sie in Lebensgefahr. Denn die Schleuser, die die Profiteure dieses Millionen-Geschäfts sind, können den Verzweifelten jetzt sagen: Ihr braucht keine guten Boote. Sie können ruhig überfüllt sein. Denn gleich draußen warten Schiffe mit Besatzungen, die euch helfen. Das mag stimmen, wenn es gut geht. Es geht aber nicht immer gut. Dann wartet der Tod.

Andererseits kann Europa auch nicht Tausende von Menschen sehenden Auges und ungerührt im Mittelmeer ertrinken lassen. Und nach Libyen können die Menschen auch nicht zurückgeschickt werden: Dort herrschen in den Lagern unhaltbare Zustände, mit Folter und Vergewaltigungen. Was aber dann?

Wie ein Deal aussehen kann

Europa kann den Herkunftsländern der Flüchtlinge einen Deal anbieten: Wir nehmen, sagen wir, 20.000 Menschen pro Jahr aus Nigeria oder anderswoher auf. Und wir suchen sie nach Qualifikation aus. Im Gegenzug verpflichtet sich jedes dieser Länder, illegale Flüchtlinge postwendend wieder zurückzunehmen.

Der Deal ist attraktiv, für beide Seiten: Nigeria und die anderen Staaten können auf Devisen hoffen, die die Migranten in ihre Heimat überweisen. Und der Weg über das Mittelmeer wird nach einer kurzen Übergangszeit unattraktiv, weil sich eines sehr schnell herumsprechen wird: Die Chancen, nach der Überfahrt in Europa bleiben zu dürfen, sinken dramatisch. Europa bekommt zusätzlich junge Fachkräfte, auf die zum Beispiel die Bundesrepublik angewiesen ist.

Das lässt sich noch durch eine wirkungsvolle libysche Küstenwache unterstützen, falls es wirklich gelingt, solche Einheiten mit europäischer Hilfe aufzubauen.

Das ist natürlich komplizierter, als einfach mit Grenzschließungen zu drohen oder aber die "Sophia"-Mission zu blockieren. Aber es gehört nun einmal zur ureigensten Aufgabe von Regierungen, auch solche komplexen Themen überzeugend zu erklären.

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