Fall Freienfels: Nachbarn wussten vom isolierten Markus D.

8.10.2016, 06:00 Uhr
Fall Freienfels: Nachbarn wussten vom isolierten Markus D.

© Christiane Krodel

Was ist das für ein Ort, in dem ein Kind lebt, das die Schule nur unregelmäßig besucht und das irgendwann überhaupt nicht mehr kommt? Was ist das für eine Familie, die ihren Sohn daheim isoliert aufwachsen lässt, bis aus ihm ein Mann geworden ist – alt genug, um arbeiten zu gehen und eine eigene Familie zu gründen? Was ist das für ein Haus, aus dem die Polizei am Ende diesen Mann mitnimmt?

Freienfels im Kreis Bayreuth möchte nicht reden. Dass seit einigen Tagen die Presse durch den Ort läuft und Fragen stellt, ist ungewohnt und auch unangenehm. Denn jetzt müssen sich die Freienfelser Fragen gefallen lassen - etwa, warum nicht schon früher jemand etwas unternommen hat. Vorwürfe hört niemand gern.

Den 43-jährigen Markus D. hatte die Polizei im September aus der Wohnung der Eltern geholt. Es habe einen Hinweis gegeben, heißt es gegenüber der Nürnberger Zeitung. Er stammt von einem Kletterer, der im Ort des Öfteren zu tun hatte und dabei die Geschichte von Markus D. hörte. Bislang ist bekannt, dass Markus D. daheim nicht angekettet oder eingesperrt war. Ob er gegen seinen Willen im Haus festgehalten wurde oder dort aus freien Stücken lebte, ist aber unklar.

Ein älterer Herr öffnet seine Haustür. Markus D., sagt er, habe er das letzte Mal vor 30 Jahren gesehen. Im Dorf habe man herumerzählt, dass sie den Jungen nicht rauslassen. Der Vater des Jungen sei "in Ordnung". Die Mutter allerdings schwierig. Der Mann, der wie alle anderen seinen Namen nicht nennen möchte, sagt zum Schluss: "Mich geht das nix an. Ich bin froh, dass mit meiner Familie alles klappt." Ein weiterer Freienfelser erzählt, der Junge habe damals mit seinem Sohn gespielt. Da müsse Markus D. um die 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein. Der sei ganz normal gewesen, erzählt er. Irgendwann kam er nicht mehr zum Spielen.

Warum hat die Bundeswehr nicht nachgefragt?

Die Eltern von Markus D. leben im Ort für sich; dass sie hier Freunde haben, ist keinem bekannt. Beide gehen in die Kirche. Dass sich Markus D. im Haus befindet, sei ein offenes Geheimnis gewesen, sagt eine Frau. Ihr Mann sei vor 15 Jahren einmal beim Jugendamt gewesen und habe von dem Fall berichtet, geschehen ist aber nichts. Wo waren die Behörden, die Versicherungen, ein Arzt, fragt sie? Jeder wird doch mal krank. Warum hat die Bundeswehr nicht nachgefragt? Damals gab es noch die Wehrpflicht. Die Mutter von Markus D. stellt sie als problematisch dar. An diese habe sich niemand rangetraut.

Bürgermeisterin Karin Barwisch ist für die NZ am Freitag weder per Mail noch telefonisch zu erreichen. Die Frage, warum dem Schulamt oder Jugendamt nie aufgefallen sei, dass ein Junge nicht mehr die Schule besucht, bleibt daher unbeantwortet.

Der Nordbayerische Kurier zitiert eine unbenannte Quelle mit den Worten, dass "sehr wohl" Maßnahmen ergriffen wurden. Es soll Gespräche mit dem Schulrat gegeben haben; auch die Polizei sei involviert gewesen. Markus D. soll damals als lernbehindert gegolten haben, schreibt der Kurier. "Er sollte die richtige Hilfe bekommen", erklärt der Unbekannte weiter. Die Bemühungen wurden aber aufgegeben. Die Mutter sei bei den Gesprächen mit Schul- oder Behördenvertretern wütend gewesen.

Im Interview mit Radio Bamberg wehrt sich die Mutter von Markus D. gegen die Kritik. Weil ihr Junge gemobbt wurde, sei er zu Hause geblieben. Sie wollte ihn schützen. "Er wollte nicht raus. Er wollte keinen Menschen mehr sehen."

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