Fall Skripal: Wer Moskau bestrafen will, braucht Gründe

19.3.2018, 17:32 Uhr
Fall Skripal: Wer Moskau bestrafen will, braucht Gründe

© Pa/PA Wire (dpa)

In letzter Minute haben die Helfer der Außenamtschefs im Hintergrund den feinen, aber wichtigen Unterschied zwischen Behauptung und Feststellung eingebracht. Und so vermieden es die Chefdiplomaten am Montag, Russland als Täter zu benennen.

Denn jetzt ist die Stunde der Spezialisten für dieses fürchterliche Gift, mit dem der ehemalige Doppelagent und seine Tochter am 4. März in Salisbury in Berührung kamen. Sie müssen klären und herausfinden, wohin der Fingerabdruck des Kampfstoffes weist, der angeblich nie produziert und dennoch vernichtet wurde und trotzdem außer Landes gelangen konnte.

Tatsächlich stecken die russischen Reaktionen voller Widersinn. Doch die EU darf sich nicht auf Glauben oder Vermuten stützen. Die Sündenliste des Kreml, die nicht erst bei der Annexion der Krim beginnt und über den anhaltenden Konflikt in der Ost-Ukraine bis hin zu Hacker-Attacken auf das Datennetz der Bundesregierung reicht, ist lang genug. Wer Moskau bestrafen will, braucht Gründe, keine Gerüchte.

Doppelmoral der Union

Dabei täte die Union auch gut daran, ihre eigene Doppelmoral auf den Prüfstand zu stellen. Denn trotz der jetzt schon bestehenden Sanktionen, die sich vor allem gegen die Führungskader um Präsident Wladimir Putin richten, gibt es durchaus schmerzende Wirtschaftsstrafen wie Importverbote, mit denen sich Moskau und Brüssel gegenseitig schmerzhaft treffen.

Doch die ökonomische Zusammenarbeit verläuft deutlich besser als die politische Großwetterlage vermuten ließe. Hiesige Unternehmen können ihre russischen Geschäfte weiter abwickeln, Moskaus Konzerne befinden sich weiter auf Einkaufstour in Europa. Wirtschaftliche Einbußen gibt es, aber die haben lange nicht jene Ausmaße, die man vermuten könnte.

Die Politik der Nadelstiche schmerzt zwar, vernichtet jedoch nicht. Moskaus Rückkehr auf einen Pfad, der mehr politische Zusammenarbeit ermöglichen würde, scheint immer noch Lichtjahre entfernt. Und es nicht abzusehen, dass Putin – von der Last der Wiederwahl befreit – sich nun von seiner einsichtigen Seite zeigen könnte. Europa muss wohl auf die Nach-Putin-Ära setzen. 

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