Fragen zur Migration: Timur Vermes diskutiert im NN-Forum

9.1.2019, 15:49 Uhr
Fragen zur Migration: Timur Vermes diskutiert im NN-Forum

© Roland Fengler

Timur Vermes, Journalist und Romanautor, spitzt gern zu, um Fakten Gewicht zu verleihen. "Nur Ungarn kann einen Zaun bauen, weil da keine Sau hin will", sagt der Autor plakativ, der in seinem Buch "Die Hungrigen und die Satten" das Thema Migration satirisch überzeichnet, aber durchaus realistisch für die Zukunft beschrieben hat. Seine These: Es werden auch weiterhin Flüchtlinge zu uns kommen wollen, schlicht, weil wir reich sind und sie arm.

Sein Lösungsvorschlag: "Man muss Modelle entwickeln, von denen jeder etwas hat." Er denkt da an die fundierte Ausbildung von Menschen in Deutschland, die dann entweder für den deutschen Arbeitsmarkt attraktiv sind oder für ihr Heimatland. Beides würde gegen Migrations- und Integrationsprobleme helfen.

"Europa nicht aus Verantwortung entlassen"

Petra Bendel, vielfach engagierte Expertin für Migrationspolitik und Professorin an der Uni Erlangen-Nürnberg, kritisiert auch die Art der Hilfe in Flüchtlingslagern. Dort würden z. B. nur Zeltstädte errichtet, um Menschen nicht zum Bleiben zu animieren. "Echte Städte zu bauen, den Leuten Perspektiven zu geben, die ja oft einen Beruf haben und so die Infrastruktur selbst mit aufbauen könnten, wäre hilfreicher.“ Darüber hinaus plädiert die Wissenschaftlerin, die auch im Beirat des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sitzt, für kontrollierte Zuwanderung nach Europa, etwa in Resettlement-Programmen. Die gibt es zwar schon, doch würden sie teilweise nicht konsequent durchgeführt. Blauäugig ist auch Bendel nicht: „Wir dürfen Europa da nicht aus der Verantwortung lassen. Es ist mühsam, aber man muss immer wieder einen Konsens erreichen.“

Eine ganz andere Perspektive, aber mit ähnlichem Fazit, schildert Naqib Hakimi: Der Afghane flüchtete 2010, brachte Jahre der Unsicherheit in Deutschland hinter sich, bis er über die Härtefallkommission sein dauerhaftes Bleiberecht bekam. "Die Menschen flüchten nicht freiwillig, was sie suchen, ist Sicherheit. Wer erst nach Jahren sicher ist, dass er bleiben kann, engagiert sich weniger, hat kaum Motivation, sich zu integrieren und die Sprache zu lernen", weiß er. In der Behinderteneinrichtung, wo er mittlerweile arbeitet, ist er anerkannt, aber feindselige Blicke auf der Straße kennt auch er gut.

Die Asylbewerber, die in Amberg eine Schlägerei angezettelt haben, will er keinesfalls in Schutz nehmen, sagt aber auch: "Sie waren betrunken, täglich prügeln sich aber auch einheimische Betrunkene, da wird dann nicht so heftig diskutiert.“ Petra Bendel kritisiert in diesem Punkt auch Horst Seehofer scharf: Der Innenminister fordere reflexartig neue Gesetze. „Aber die haben wir längst. Konsequente Abschiebungen sind in einzelnen Fällen auch dringend nötig. Allerdings scheitern sie oft am fehlenden Pass der Betroffenen.“

"Dann wird gejagt"

Was also tun angesichts weltweiter Flüchtlingsströme, die derzeit vor allem in Mittelamerika unterwegs sind, jederzeit aber auch wieder auf Europa zukommen können? Vermes und Bendel plädieren beide für kontrollierte Einwanderungswege. "Das ist allein schon notwendig, weil sonst das Land unweigerlich nach rechts kippt. Dann wird gejagt! Insofern ist das essentiell wichtig für diese Republik.“

Leise Zuversicht und vehemente Forderungen nach neuen Migrations-Modellen also auf dem Podium, das Steffen Radlmaier, Feuilleton-Chef der Nürnberger Nachrichten, und Franziska Holzhschuh aus dem Politik-Ressort moderierten. Ein Besucher, der selbst Erfahrung bei der Seenotrettung im Mittelmeer hat, zieht dann aber doch eine negative Bilanz: "Die Migration ist nicht gewollt, sonst würden die bestehenden Programme funktionieren.“ Das Fazit vieler Zuschauer und der Podiumsteilnehmer: Wird die Migrationsfrage nicht gelöst, sind auch die europäischen Werte und die westliche Demokratie in Gefahr. 
 

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