Franken-Power auf der CeBIT

8.3.2012, 05:00 Uhr
Franken-Power auf der CeBIT

© dapd

Der Mann wirkt ernsthaft erstaunt: „Der Raum Nürnberg ist neben München tatsächlich der zweite große IT-Standort Bayerns“, wundert sich Franz Pschierer, als er für den Auftritt des Freistaats auf der CeBIT wirbt — der Politiker ist immerhin Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für Informations- und Kommunikationstechnik. Tatsächlich.

Knut Harmsen lächelt derlei Äußerungen aus Oberbayern souverän weg. „Zirka 95.000 Menschen arbeiten bei uns im IT-Bereich, und mehr als die Hälfte will dieses Jahr weitere Stellen schaffen“, sagt der IT-Experte der Industrie- und Handelskammer Mittelfranken. Zugegeben, München spiele unter den IT-Standorten europaweit in der Champions League. „Aber ein Anwärter für den Europapokal ist auch Nürnberg allemal.“

Riesen-Stand

Zu den Top-Stürmern gehört zum Beispiel die Datev: 3000 Quadratmeter groß ist der Stand des IT-Dienstleisters, damit spielen die Nürnberger in einer Liga mit den IBMs und Dells der Welt. Überhaupt nur sechs CeBIT-Aussteller trumpfen mit noch mehr Fläche auf. „Wir erwarten 6800 qualifizierte Besucher — also solche, die direkt am Stand kaufen oder in den Wochen nach der Messe“, erklärt Datev-Chef Dieter Kempf.

Zum Beispiel die aufgehübschte Datev-App, mit der die Kunden der Genossenschaft vom Handy aus auf eine Steuer-, Rechts- und Wirtschaftsdatenbank zugreifen können. „Fünf unserer sechs Vorstände sind die ganze Zeit vor Ort“, sagt Kempf, zugleich Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom.

Die Datev ist als Dienstleister typisch für die fränkische IT-Szene: Die meisten Unternehmen vereinfachen ihren Kunden gegen Geld das Leben in der digitalen Welt. Alte Bekannte wie Triumph-Adler (TA) sind darunter. Der einstige Schreibmaschinen-Hersteller gehört inzwischen zum japanischen Kyocera-Konzern und bietet jetzt IT-Lösungen an, die die Flut an Dokumenten bändigen.

„Kirk“ heißt der Hoffnungsträger, wie der Kapitän der Enterprise in der berühmten Star-Trek-Serie. „Nur, dass Sie mit unserem Kirk kein Raumschiff steuern, sondern alle Drucker, Kopierer, Faxe, die in Ihrem Haus so stehen – und zwar unabhängig von deren Hersteller“, erklärt TA-Sprecher Karl Thiel. Wer wolle, könne sogar von der Badewanne aus den Toner-Stand im Büroprinter checken. 250 Millionen Euro erwirtschaftet TA mit solchen Ideen und 1380 Mitarbeitern — davon 100 in der Nürnberger Zentrale.

Über klingende Kundennamen freut sich Omninet: Datev, N-Ergie, Sellbytel, alle setzen auf den „Omnitracker“ des Eckentaler Software-Entwicklers, um Betriebsabläufe darzustellen. Klingelt etwa im Call-Center das Telefon, sucht das Programm gleich alle nötigen Produktinformationen zur Kundenfrage raus. „Wir waren bisher immer nur auf kleinen Fachmessen“, so Vertriebsmanager Christian Schüle. Jetzt aber, mit 15 Millionen Euro Umsatz und rund 100 Mitarbeitern, sei die Zeit reif für einen Riesen wie die CeBIT. „Den fränkischen IT-Unternehmen geht es gut“, sagt IHK-Experte Harmsen. 94 Prozent beurteilen ihre Lage mindestens als „neutral“ oder „besser“. Beim Ausblick sind die meisten fast euphorisch. „Niemand ist zurzeit optimistischer als die ITler.“

Dass die fränkischen IT-Spezialisten nicht nur auf fahrende Züge aufspringen, sondern auch neuen ins Gleis helfen, beweisen die Wissenschaftler. Sportfans lieben Statistiken — und künftig vielleicht auch das Fraunhofer-Institut IIS in Erlangen- Nürnberg: Dank der Ortungstechnik RedFIR lässt sich bald noch genauer feststellen, ob die Trikots der Club-Spieler vom Laufschweiß nass sind — oder doch nur vom Regen.

Wirtschaftinformatiker der Uni Erlangen-Nürnberg haben sich den Körperscanner der Microsoft-Spielekonsole „Kinect“ vorgenommen – und daraus eine Software entwickelt, die den Weg von Kunden durch den Supermarkt erkennt oder ihnen in Umkleidekabinen auch mal virtuell die Kleider anlegt und Tipps zur Größe gibt. „Daran haben wir zwei Jahre geknobelt“, sagt Freimut Bodendorf, Professor für Wirtschaftsinformatik. Jetzt aber winkt reiche Beute: adidas zeigt großes Interesse, auch mit Lebensmittelhändlern gab es bereits Gespräche. Es scheint, als ob die Uni die fränkische IT-Szene bald mit der nächsten Firmen-Ausgründung bereichert.

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