Frankreich bewegt sich: Macron, der positive Populist

24.4.2017, 07:55 Uhr
Frankreich bewegt sich: Macron, der positive Populist

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Die Sache müsste eigentlich gelaufen sein: Emmanuel Macron, der Newcomer, in Führung, die rechtsextreme Marine Le Pen auf Platz zwei – damit stehen sie sich in der Stichwahl am 7. Mai gegenüber. Und eine sehr, sehr große Zahl der Anhänger all jener Präsidentschafts-Kandidaten, die den Sprung unter die ersten Zwei nicht geschafft haben, dürfte für Macron stimmen – entsprechende Wahlempfehlungen gab es prompt am Abend nach der Abstimmung.


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Wie es aussieht, wird der junge Aufsteiger also der nächste Präsident unseres Nachbarn im Westen. Ob er dann auch die notwendigen Parlamentsmehrheiten erhält, zeigt sich dann erst bei Abstimmung Nummer drei in Frankreich: der Wahl zur Nationalversammlung mit zwei Wahlgängen am 11. und 18. Juni.

Frankreich braucht charismatischen Präsidenten

Vorsicht bei Prognosen ist angebracht, siehe Brexit, siehe Trump. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Franzosen ihrer liberalen, weltoffenen und zugleich durchaus eigenständig-nationalen Tradition treu bleiben – und den Weg der Vernunft wählen: Macron steht für einen Verbleib in den Bündnissen, denen Frankreich angehört. Kein Frexit also, wie ihn Le Pen wollte – aber wohl selbstbewusste Kritik an Brüssel und auch an Berlin aus Paris.

Macron ist eine Art positiv denkender Populist: Er malt die Zukunft nicht, wie die Rechtskonservativen, schwarz und düster, sondern er setzt den Ängsten Ideen entgegen. Das ist genau das, was das verunsicherte Frankreich braucht und möchte: einen leidenschaftlichen, auch charismatischen Präsidenten mit Visionen.

Frankreich geht es wie bereits zuvor Italien

Er wird, wenn er denn gewinnt, viel zu tun haben. Frankreich ist seit Jahren erstarrt in einer Mischung aus altem, verletztem Nationalstolz, Selbstmitleid und dem Schock des Terrors – der das Land nach wie vor im Ausnahmezustand verharren lässt. Frankreich braucht aber ebenso entschlossene wie behutsame, austarierte Reformen, um den Anschluss an den so wirtschaftsmächtigen deutschen Nachbarn nicht vollends zu verlieren.

Zu erleben ist in dem Land auch das, was Italien schon hinter sich hat: die Zertrümmerung einer jahrzehntelang erst gut, dann leidlich funktionierenden Parteienlandschaft. Die Sozialisten und die Konservativen stehen vor einem Scherbenhaufen. Das Erbe von Francois Hollande ist verspielt, auch durch den Noch-Präsidenten selbst; der starrköpfige, skandalbelastete Francois Fillon hat die Talfahrt der Gaullisten beschleunigt.

Siegeszug der Populisten ist gestoppt

Wenn der designierte Präsident Macron die nötigen Parlaments-Mehrheiten für seine pro-europäische Politik des Augenmaßes und der internationalen Einbettung erhält, könnte dies dem Nachbarland den Schub geben, den es solange versäumt hat. Eine gute Nachricht auch für uns: die deutsch-französische Partnerschaft, 1963 von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer auf den Weg gebracht, ist die unabdingbare Basis für ein starkes Europa. Und auch das braucht dringend Reformen.

Erfreulich am Ergebnis der ersten Runde ist zudem: Der Siegeszug der Populisten von rechts wie links scheint gestoppt. Das liegt auch an Donald Trump, der aller Welt zeigt: Laute Töne, Wut und Hass allein sind beileibe noch kein Regierungsprogramm. Gute Politik kann man nicht per Twitter verbreiten; dazu braucht es Profis, die besten Köpfe, Geduld und Konzepte. Es wäre nicht nur für Frankreich gut, wenn sich das Land in diese Richtung orientiert. Wenn es "en marche" kommt, wie die Gruppierung Macrons heißt – auf deutsch: in Bewegung.

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