Für Erlangen war der Abzug der US-Armee ein Glücksfall

11.7.2018, 12:18 Uhr
Für Erlangen war der Abzug der US-Armee ein Glücksfall

© Bernd Böhner

Vom Erlanger Rathaus aus konnte Dietmar Hahlweg jenen Teil des Stadtgebiets sehen, über das er keine Kontrolle hatte. Die "Ferris Barracks" dominierten den Osten der Stadt, bis dicht ans Zentrum, insgesamt 130 Hektar. Dazu der Truppenübungsplatz bei Tennenlohe mit 3300 Hektar Fläche. Schießlärm und das Gerumpel der Panzerketten waren Dauerärgernis. Für Oberbürgermeister Hahlweg und seine Vorgänger bedeutete die US-Militärpräsenz über fast vier Jahrzehnte, dass sich die aufstrebende Universitäts- und Siemens-Stadt im Osten nicht weiterentwickeln durfte.

Vor genau 25 Jahren dann die Wende. Neidisch hatten die Erlanger zuvor nach Nürnberg, auf die Muna nach Feucht, nach Schwabach, Fürth, Zirndorf oder Herzogenaurach geschaut. Dort waren seit 1991 die US-Standorte aufgelöst worden, nur in Ansbach dauerte es länger. Stadtplaner rieben sich die Hände, skizzierten schnell Pläne für Wohnen und Gewerbe: Der Jubel über neue Flächen übertönte schnell das Jammern über den Verlust der Arbeitsplätze der Zivilangestellten.

"Historische Bedeutung"

Erlangen musste lange auf den Beschluss im Pentagon warten, die Ferris-Barracks aufzulösen. Im Juni 1993 war das Signal erwartet worden. Anfang Juli dann konnte Hahlweg von einer "Entscheidung von stadthistorischer Bedeutung sprechen".

Es sollte noch drei Jahre dauern, bis die Stadt den Bundestag bewegen konnte, das Gelände - zu einem "Schnäppchenpreis", so Hahlwegs Nachfolger Siegfried Balleis - an die Stadt zu verkaufen. Die 34 Millionen Mark erwiesen sich als gut investiert, schließlich warf der Weiterverkauf der Grundstücke gut das Doppelte ab.

Bevor die Stadt zum Zug kam, hatte der Bund andere Bewerber bedacht. Die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude der alten Artilleriekaserne um den Exerzierplatz wurden vom Freistaat Bayern für zahlreichen Institute und Lehrstühle der Friedrich-Alexander-Universität erworben. In den einstigen Remisen der ehemaligen Kavalleriekaserne entstanden moderne Stadtwohnungen, die ehemalige amerikanische Schule wurde städtische Wirtschaftsschule, die Franconian International School siedelte sich an.

104 Ideen für das Kasernenareal

Der weitere Ausbau des Röthelheimparks, der ursprünglich 9000 Einwohnern neue Heimat werden sollte, richtete sich in den Grundzügen nach einem städtebaulichen Rahmenplan; der entstammte einem bundesweit ausgeschriebenen Ideenwettbewerb mit der Beteiligung von 104 Architekten und Stadtplanern.

Das sind die ehemaligen und aktuellen Standorte der US-Armee in Franken und der Oberpfalz.

Das sind die ehemaligen und aktuellen Standorte der US-Armee in Franken und der Oberpfalz. © Infografik

Als Glücksfall erwies sich das frei gewordene Gelände auch für das Ziel Erlangens, ein bundesweites Zentrum für Medizin und Gesundheit zu sein. So war Platz für den Bau eines mit 200 Millionen Mark Investitionen verbundenen Werks für Magnetresonanztomographen der Siemens AG, das sonst wohl in England errichtet worden wäre. Somit hätte sich Erlangen vom "Medical Valley" verabschieden können. Nun aber konnten nicht nur rund tausend Arbeitsplätze gesichert werden, das neue Werk zog weitere Neubauten des Medizinsektors des Elektrokonzerns nach sich.

Der Röthelheimpark wurde so auch ein zweiter Schwerpunkt zur südlich gelegenen Technischen Fakultät mit ihren vielen Neubauten. Heute schließt sich an den zum Naturschutzgebiet erklärten ehemaligen Panzer-Übungsplatz ein Baustreifen an, auf dem - neben einem bestehenden Gymnasium - ein Max-Planck- und ein Helmholtz-Institut entstanden und entstehen und Erlangen als Wissenschaftsstandort festigen. Doch in Erlangen ist heute auch klar: Angesichts des Grundstücksmangels wäre ein Glücksfall wie vor 25 Jahren wieder bitter nötig.

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