Gabriel zur Türkei-Krise: Eine schallende Ohrfeige für Ankara

20.7.2017, 10:12 Uhr
Gabriel zur Türkei-Krise: Eine schallende Ohrfeige für Ankara

© Kay Nietfeld/dpa

Für Außenstehende mag das harmlos aussehen: Die Bundesregierung bestellt den türkischen Botschafter ein - Anlass ist die Verhaftung eines deutschen Menschenrechtlers unter fadenscheinigen Vorwänden. Doch dieser Schritt ist alles andere als lächerlich, wie viele meinen: Einen Botschafter bestellt man nicht ein, weil er ein paar Mal falsch geparkt oder sein Regierungschef sich im Ton vergriffen hat. Wenn der ranghöchste Emissär eines Landes zum Rapport antreten muss, bedeutet das in der Diplomatensprache nicht "jetzt sind wir aber enttäuscht". Es bedeutet "die Linie des Tolerierbaren ist klar überschritten." Es ist eine schallende Ohrfeige auf diplomatischem Parkett.

Dass Berlin nun auch noch die Reisehinweise für das Urlaubsland Türkei verschärft, und zwar genau vor Beginn der Sommerferienzeit, ist ein weiteres deutliches Zeichen. Deswegen wird wohl kaum jemand, der seinen Urlaub dort vor längerer Zeit gebucht hat, von seiner Reise Abstand nehmen. Doch darauf zielt die Verschärfung auch gar nicht ab - sie schafft vielmehr Problembewusstsein. Die Regierung macht den Bundesbürgern damit klar, dass sie vor willkürlichen Verhaftungen in der Türkei nicht länger sicher sind.

Überfällig waren solche Maßnahmen freilich schon lange: Der türkische Präsident Erdogan hat sich mit seinem Kurs längst aus der westlichen Wertegemeinschaft verabschiedet. Massenverhaftungen, die Gängelung der Opposition, die Gleichschaltung der Justiz sowie die de-facto-Abschaffung der Pressefreiheit lassen keinen Zweifel, dass dieser Mann alles Mögliche im Sinn hat, ganz bestimmt aber nicht den Aufbau einer nachhaltigen Demokratie. Aus Rücksicht auf die wichtige strategische Rolle der Türkei im Nato-Verbund und wegen des unseligen Flüchtlingsdeals hat Berlin bisher gute Miene zum Ankaras bösem Spiel gemacht. Damit ist es nun erstmal vorbei.

Es steht Außenminister Gabriel (SPD) gut an, dass er der Türkei unmissverständlich klar macht, dass sie diesmal zu weit gegangen ist. Doch er muss aufpassen, dass er glaubwürdig bleibt. Schließlich liegt am Bosporus vieles schon länger im Argen. Die Verhaftung eines Deutschen nun zum Anlass zu nehmen, die längst überfälligen Wirtschaftssanktionen gegen Ankara einzuleiten, und zwar auf EU-Ebene, kann schnell den Beigeschmack bekommen, dass der SPD-Chef sich und seiner Partei zwei Monate vor der Bundestagswahl ein außenpolitisches Macher-Image verpassen und sein Profil gegenüber der CDU schärfen will. Dafür taugt der skandalöse Vorgang nicht.

 

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