Gezielter Rechtsruck: AfD greift die Menschenwürde an

24.2.2018, 13:17 Uhr
Die AfD leistet sich immer wieder Provokationen und überschreitet Grenzen.

© dpa Die AfD leistet sich immer wieder Provokationen und überschreitet Grenzen.

Eigentlich ist das unsere Vorgabe beim Umgang mit der AfD: Nicht über jedes Stöckchen springen, das uns diese Partei vorhält. Also: Nicht jedes Mal schäumen, wenn ein AfD-Vertreter mit einer gezielten Provokation in die Schlagzeilen kommt — genau dann hat die Partei ja ihr Ziel erreicht: Sie taucht auf in jenen Medien, die etliche ihrer Anhänger pauschal als "Lügenpresse" oder "Staatsfunk" diffamieren.

Aber: Es sind derart viele Provokationen, derart viele Grenzüberschreitungen, die sich die AfD in den letzten Wochen ganz bewusst leistet, dass darüber nicht geschwiegen werden kann, sondern dass darüber berichtet werden muss.

Halten wir also fest: Die AfD-Spitze peilt den Schulterschluss mit der Pegida-Bewegung an. Ein Beschluss von 2016, wonach AfD-Mitglieder bei den Hass- und Wut-Kundgebungen in Dresden nicht auftreten sollten, dürfte beim Parteitag Anfang März fallen, damit die "natürlichen Partner" (so Pegida) zusammenkommen. Als störend empfinden die Parteichefs Jörg Meuthen und Alexander Gauland lediglich den früheren Pegida-Frontmann Lutz Bachmann, weil diese vorbestrafte Figur bürgerliche Wähler abschrecken könne.

Schulterschluss mit Pegida

Allerdings war Bachmann mehrfach Gast bei der AfD, so etwa auch am Aschermittwoch in Nentmannsdorf. Dort würdigte der thüringische AfD-Chef Björn Höcke Pegida als "Teil unserer Bewegung". Und: "Ihr als Pegida seid der manchmal so notwendige Tritt in den Hintern der Partei", sagte er zu Bachmann.

Das war bei jenem Treffen, das nicht nur Cem Özdemir wegen der radikalen Tonlage an die Auftritte von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels erinnerte — auch wegen der Reaktionen des Publikums. Das rief lauthals "Abschieben, abschieben", als nur der Name Özdemirs erwähnt wurde. Und jubelte über die hasserfüllten Pauschal-Ausfälle des sachsen-anhaltinischen Landes-Chefs André Poggenburg über Deutschtürken. Ein Ausrutscher? Nein. Solche Eskalationen bereiten offenbar nur den Boden für einen generellen Rechtsruck der Partei. Deren Chef Gauland sieht auch im Fall Poggenburg "keinen Bedarf für eine innerparteiliche Debatte". Stattdessen verschärfte er die Tonart: "Das ist kein Rassismus, wenn ich sage: ,Die Türken gehören nicht zu uns.‘"

Gaulands Vize Alice Weidel schrieb nach der Freilassung von Deniz Yücel aus türkischer Haft: "Yücel ist weder Journalist noch Deutscher." Das ist zweifach infam: Yücel wurde 1973 als Sohn türkischer Einwanderer in Flörsheim geboren und hat die doppelte Staatsbürgerschaft, er ist seit Jahren journalistisch tätig. Und Cem Özdemir, der "anatolische Schwabe", ist wie Hunderttausende andere Migranten-Kinder bestens integriert, natürlich ein Teil Deutschlands.

AfD greift die Menschenwürde an

Doch die AfD versucht mit ihren Kampagnen ungeniert, ihre eigene, völkische, rassistische Definition von Deutschsein durchzusetzen. Das dürfen wir ihr nicht durchgehen lassen. Denn unser Grundgesetz beginnt mit dem wunderbaren Satz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Genau diese Würde aber tastet die AfD nicht nur an, sie greift sie gezielt an.

Dass die AfD Provokateure zu Ausschuss-Vorsitzenden im Bundestag macht — ihr gutes Recht. Dass sie den Bundestag vorführen will — durchschaubar: Sie rückt meist komplett im Plenum an, um zu zeigen, dass viele andere fehlen. Das aber ist Alltag für ein Arbeitsparlament mit Ausschüssen, in denen beraten wird. Da gilt: Voll besetzt sind meist nur Parlamente, in denen der einzelne Abgeordnete nichts zu sagen hat.

Aber dass die AfD Menschen pauschal ausgrenzt und attackiert: Das kann unsere Demokratie nicht unwidersprochen hinnehmen. Özdemirs Rede war da die treffende Kampfansage eines leidenschaftlichen Demokraten an die Feinde der Freiheit.

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