GFE: Größter Betrugsprozess im Bereich Bioenergie

25.9.2012, 14:15 Uhr
In solchen Containern, aufgenommen auf einem Gewerbegrundstück in Fürth, befanden sich die Blockheizkraftwerke, die umweltfreundlich Strom produzieren und ihren Investoren satte Rendite bringen sollten.

© Heinz Wraneschitz In solchen Containern, aufgenommen auf einem Gewerbegrundstück in Fürth, befanden sich die Blockheizkraftwerke, die umweltfreundlich Strom produzieren und ihren Investoren satte Rendite bringen sollten.

Deshalb sitzen an zunächst geplanten 28 Verhandlungstagen 14 von zurzeit 52 Beschuldigten vor der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth.

Es war der 30. Oktober 2010, als die Staatsanwaltschaft Nürnberg per Gerichtsbeschluss die Geschäftsräume der GFE in der Nürnberger Dieselstraße und viele weitere Objekte durchsuchen ließ. Die Ermittler hatten auch Haftbefehle dabei. Bei sechs der damals Verhafteten dauert die Untersuchungshaft bis heute an.

Einer der Hauptbeschuldigten, der Elektroinstallateur und Kaufmann Karlheinz Z. (56) aus Gunzenhausen, wurde vor geraumer Zeit wegen seines schlechten Gesundheitszustands aus der U-Haft entlassen. In den Gerichtssaal wird er im Rollstuhl geschoben.

Und der Kammervorsitzende Bernhard Germaschewski deutet gleich zu Prozessbeginn viele Unterbrechungen an: Alle halbe Stunde dürfe Z. zur Toilette. Was mangels einer behindertengerechten Einrichtung im Ostflügel des Justizpalasts aufwändig ist. Jeweils fast eine halbe Stunde Verhandlungsunterbrechung ist allein mit jedem Toilettenbesuch des Hauptangeklagten verbunden. Zwei Mal muss Z. allein am ersten Verhandlungstag aufs stille Örtchen.

Zwei andere Angeklagte sehen sich nach 22 Monaten erstmals wieder: Horst K. (60), Z.s Kompagnon in der Geschäftsleitung der GFE-Group, und seine Ehefrau Silvia (55). Er sitzt im Nürnberger Untersuchungsgefängnis ein, seine Gattin in Strullendorf bei Bamberg.

Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass die insgesamt 62 Millionen Euro, die die Angeklagten bei gutgläubigen Anlegern einsammelten, vor allem in deren Taschen gelandet sind.

Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass die insgesamt 62 Millionen Euro, die die Angeklagten bei gutgläubigen Anlegern einsammelten, vor allem in deren Taschen gelandet sind. © Heinz Wraneschitz

Einmal werden sie sich im Laufe des Vormittags umarmen, und sogar ein Kuss kommt zustande. Mehr Nähe ist nicht drin. Trotz der Enge im Saal 600 vor der Schranke.

„1417 Kunden hatten im Zeitraum November 2009 bis November 2010 insgesamt 1547 Kaufverträge mit der GFE-Group abgeschlossen. Der den Kunden insgesamt entstandene Schaden beläuft sich auf 62161528,49 Euro.“ Das haben die Staatsanwälte in die 55-seitige Anklageschrift geschrieben und gestern verlesen.

Das Problem: Von den 1547 per Vertrag gekauften Blockheizkraftwerken (BHKW) mit Pflanzenölantrieb, „Energy-Saving-System (ESS)“ und versprochenem Umwandlungsgrad von 75 Prozent in Strom wurde nach Meinung der Anklagebehörde kein einziges aufgestellt. Es habe noch nicht einmal einen funktionierenden Prototyp gegeben, so die Staatsanwaltschaft.

Und die versprochene Jahresrendite von 30 Prozent sei zwar bis zu jenem 30. Oktober an die Käufer ausgezahlt worden. Doch das Geld kam jeweils wieder aus den Einzahlungen neuer Kunden. Nach dem Ende des Betriebs in der Dieselstraße und darauf folgenden Insolvenzen mehrerer Gruppenfirmen konnten von Behörden und Insolvenzverwaltern gerade „15 Millionen Euro sichergestellt werden. Zwei Millionen sind ungeklärt.“ Der Rest floss laut Staatsanwaltschaft großteils in die Vertriebsstruktur. Und auch die Geschäftsgründer bekamen einiges ab.

Bei der GFE-Group gab es nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft „Einsteiger – Repräsentant – Energieberater – Teamleiter – Bezirksleiter – Gebietsleiter – Bezirksdirektor – Vertriebsdirektor“, nicht zu vergessen einen Vertriebskoordinator. Jede obere Stufe kassierte wohl mit, wenn ein Vermittler ein BHKW verkaufte. Die unteren Kettenglieder wussten offensichtlich nicht, dass das BHKW gar nicht funktionierte, meinen die Ermittler.

Zum Prozessbeginn zeigten sich Horst K., einer der Hauptbeschuldigten, und Frank W., einer der ehemaligen Vertriebsschefs, ungerührt.

Zum Prozessbeginn zeigten sich Horst K., einer der Hauptbeschuldigten, und Frank W., einer der ehemaligen Vertriebsschefs, ungerührt. © Heinz Wraneschitz

Deshalb verwunderte es viele Beobachter, dass es auf den Zuschauerrängen recht leer blieb. Doch noch heute erklären viele Käufer beispielsweise in Internetforen: Das GFE-BHKW hätte funktioniert, wenn die Staatsanwaltschaft die Entwickler wie den in Wilhermsdorf geborenen Autoschlossermeister Karl M. hätten weitermachen lassen. Sogar Horst K.s aus Garching angereister Wahlverteidiger philosophierte gestern über dubiose Mächte und die Energiewirtschaft, die einen Erfolg der GFE-Group habe verhindern wollen.

Sachlicher dagegen Ralf Peisl, der Anwalt des schwerkranken Karlheinz Z. „Zwei bis drei Stunden pro Verhandlungstag könnte es gehen bei meinem Mandanten. Das wird wohl ein Gerichtsarzt festlegen müssen.“ Am ersten von 28 festgesetzten Prozessterminen war jedenfalls schon mittags Schluss. Z. erklärte sich auf Nachfrage des Vorsitzenden für nicht mehr verhandlungsfähig.

Dass die 28 angesetzten Hauptverhandlungstermine reichen werden, daran glaubte schon zu Prozessbeginn fast niemand mehr. Am Mittwoch Punkt 9 Uhr geht’s weiter in Saal 600. Dann dürfen sich die Angeklagten äußern, wenn sie wollen.

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