Grafenwöhr bangt um die Zukunft des Armee-Standorts

11.11.2011, 00:00 Uhr
Grafenwöhr bangt um die Zukunft des Armee-Standorts

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Für Karlheinz Winter sind es anstrengende Wochen — von einer Personalversammlung zur nächsten; die Mitarbeiter der US-Streitkräfte sind nervös. Verständlich, sagt der stellvertretende Geschäftsführer von ver.di Oberpfalz. Denn die Einschnitte, die die Army plant, sind massiv. „Dagegen sind die jetzt angekündigten Kürzungen recht harmlos“, so der Gewerkschafter.

Und auch die verlangen den Beschäftigten einiges ab: Um 201 Dienststellen deutscher Zivilisten wird der Standortverbund Grafenwöhr/Vilseck/Hohenfels reduziert — um 143 in Grafenwöhr/Vilseck, 58 in Hohenfels. Zudem fallen 83 zivile Stellen auf amerikanischer Seite weg.

Verträge aufgelöst

Allerdings, betont Norbert Wittl, Sprecher des Hohenfelser Standorts, sei ein Großteil dieser Posten gar nicht besetzt — man habe sich auf die Streichungen schon eingestellt; Verträge wurden nicht mehr verlängert, andere gegen Abfindung aufgelöst. Wirklich betroffen sind in Hohenfels nur noch gut 20 Mitarbeiter. Auch diese, so hofft Wittl, könnten sozialverträglich abgefunden werden.

Glücklich sind Betriebsrat und Gewerkschaft über diese Kürzungen natürlich nicht; auch nicht über die Verlagerung von weiteren 57 Zivilstellen von Grafenwöhr nach Kaiserslautern — doch, so signalisieren sie, man könne damit leben. Den Arbeitnehmervertretern stößt etwas anderes sauer auf: Die jetzt verkündeten Maßnahmen sind nur ein erster Schritt. Weitere, viel einschneidendere sind geplant. Zum einen wird eine Schließungsliste ausgearbeitet. Details sind noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, spekuliert wird aber schon: Bayern werde nicht ungeschoren davonkommen, sagt ein Kenner der US-Army. Ansbach, so wird gemunkelt, könnte den Plänen zum Opfer fallen und aufgegeben werden. Schon bei der aktuellen Umstrukturierung kam die Garnison nicht ungeschoren davon: 20 Stellen von US- Zivilangestellten und 30 bis 40 Stellen ortsansässiger Mitarbeiter werden gestrichen.

Auch in der Oberpfalz wird gebangt — die Führungsebene der Armee befeuerte Spekulationen gar. „Wir sind erst am Beginn der Reduzierung“, warnte der Hohenfelser Kommandeur Kevin Quarles bei der gestrigen Personalversammlung. Er könne keine Zusagen über die Zukunft der Oberpfälzer Army-Standorte machen.

Denn die bedroht noch ein weiterer Plan: Die Amerikaner wollen die Zahl ihrer Kampfbrigaden in Europa reduzieren. Als sicher gilt, dass mindestens eine aus Deutschland abgezogen wird: die 170.Infanteriebrigade in Baumholder (Rheinland-Pfalz) oder die 172.Infanteriebrigade in Grafenwöhr. Allerdings, so befürchten Gewerkschaftler, könnte die Army auch beide wegrationalisieren — wie es ursprünglich geplant war.

Der Kommandeur der US Army Europa, Mark Hertling, will sich zwar für den Verbleib einer Brigade in Deutschland einsetzen, aber auch er gab gegenüber dem US-Militär-Magazin Stars and Stripes keine Garantie für den Verbleib einer Brigade in Deutschland ab. „In einer Zeit wirtschaftlicher Einschränkungen kann alles Mögliche passieren“, erklärte er.

Dabei hat die Armee in den vergangenen Jahren erst eine Milliarde Dollar in den Standort Grafenwöhr investiert, um ihn für eben jene Brigade zu rüsten, die nun vielleicht abgezogen wird — zuvor war die Einheit in Schweinfurt stationiert. Inwieweit die immensen Ausgaben für den Oberpfälzer Standort sprechen, darüber wollen auch Experten nicht spekulieren. Sie verweisen auf eine Entscheidung, die jüngst bei der Bundeswehr getroffen wurde: Obwohl in Roth mit 160 Millionen Euro der Standort der Heeresflieger ausgebaut wurde, wird der Kampfhubschrauber Tiger aus der mittelfränkischen Stadt abrücken.

Viele Jobs gefährdet

Für Grafenwöhr wäre der Abzug der US-Kampfbrigade verheerend; er beträfe 4000 Soldaten und ihre Familien; gleichzeitig fielen ihm viele zivile Posten zum Opfer. „Im Prinzip kann Grafenwöhr dann dichtmachen“, sagt Betriebsratsvorsitzender Klaus Lehl. Insgesamt, so hat er überschlagen, könnten durch die Umstrukturierungsprogramme der Army in der Oberpfalz 1000 zivile Mitarbeiter auf deutscher Seite ihren Job verlieren — jeder dritte.

Zusätzlich sind viele Unternehmen betroffen — Bäcker, die Brot anliefern, Reinigungsfirmen, die die Garnison in Schuss halten. „Für die Region wäre das ein heftiger Einschnitt“, betont Grafenwöhrs Bürgermeister Helmuth Wächter (SPD). Man sei ein strukturschwacher Raum, der seit Jahren stark von den US-Streitkräften profitiere.

Einwirken könne man auf die Entscheidung der Amerikaner allerdings nicht — denn die sind getrieben von ihrem miserablen Haushalt. 15 Milliarden Dollar sollen allein bei den Militärausgaben eingespart werden. Die Sorgen eines Oberpfälzer Bürgermeisters zählen da wenig.

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