"Ihr roten Faschisten": Der Hate Slam der NN

16.5.2017, 12:22 Uhr

© Ralf Rödel

Ganz schön dreist. In Frankreich tobt ein Bürgerkrieg, die Armee ist bereits ausgerückt - und die Nürnberger Nachrichten dürfen nicht darüber berichten. "Da waren die Chefredakteure stramm gestanden, als die Direktiven reinkamen, wie?", schreibt prompt ein Leser.

Und tatsächlich: Die Nürnberger Nachrichten und nordbayern.de berichten nicht vom Bürgerkrieg. Aber nicht, weil wahlweise CIA, Mossad oder die Merkel-Regierung es so wollen. Sondern weil es diesen Bürgerkrieg nie gab.

Die Lügen- oder Lückenpresse, gesteuert von dunklen Kräften: ein beliebtes Motiv für solche Leserbriefschreiber, die längst das Interesse an einer sachlichen Diskussion verloren haben. Was an ihren Zuschriften sonst nicht veröffentlichbar wäre - weil die Wortwahl zu derb ist -, brachten die Redakteure unseres Medienhauses nun bewusst auf die Bühne: beim Hate Slam im Josephs, dem Forschungslabor des Fraunhofer-Instituts, in dem die NN derzeit mit Experten und Lesern über die Zukunft der Medien diskutieren.

"90 Prozent der Zuschriften sind vernünftig", sagt Kurt Heidingsfelder, Leiter der Leserbrief-Redaktion. "Viele Menschen haben eine emotionale Bindung zu uns. Sie formulieren ihre Kritik in einer respektvollen Weise." Dann aber sind da noch die anderen zehn Prozent, die zehn Prozent, die Hass produzieren. "Die meisten davon sind Männer", sagt Heidingsfelder.

Ein noch recht harmloses Beispiel: "Hallo Chef-Zensur der NN! Na, wie geht's? Kommst dir wohl toll vor, wenn du Beiträge, die dir nicht genehm sind, einfach unter den Tisch fallen lässt. Geht halt nach Nordkorea, da (...) könntet nach Herzenslust zensieren und unliebsame Meinungen unterdrücken. Also genau das richtige für euch rote Faschisten. Mit deutschem Gruß, ein Demokrat, im Gegensatz zu dir."

Eine weitere Auswahl gefällig? In unserer Bildergalerie haben wir einige besonders bizarre Auszüge aus Leserbriefen gesammelt.

Auch wegen solcher Äußerungen führte die Onlineredaktion eine Registrierpflicht ein. Kommentieren darf seitdem nur, wer sich zuvor angemeldet hat. Der Diskussionskultur kam das zugute, sagt Stefan Hofer, Redakteur bei nordbayern.de.

Die Zuschriften erreichen unser Haus heute selten mit der Post - E-Mails, Online-Kommentare und Facebook-Posts haben den klassischen Leserbrief abgelöst. Anders als die Form "hat sich an der Stimmungslage aber relativ wenig geändert", sagt NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz. Wie schon vor Jahrzehnten entfacht kaum ein Thema so viele harsche Reaktionen wie die Zuwanderungspolitik. Nicht immer sind es Gegner von Migration, die sich zu Wort melden.

Beispielsweise schrieb ein Leser nach einem Merkel-kritischen Leitartikel im vergangenen Jahr: "Ihre Verunglimpfungen triefen nur so von Gehässigkeit. Sie sollten zur Passionszeit mal in sich gehen und Ihren Seelenmüll am Karfreitag beichten (...), sonst verdienen Sie keine frohen Ostern, sondern nur faule Eier, mit denen Sie so gern nach Merkel werfen."

Immer wieder erreichen uns aber auch Zuschriften, die so gar nicht hasserfüllt sind - sondern für große Lacher in der Redaktion sorgen. So schreibt eine Leserin: "Ich hatte während meiner Schwangerschaften Lust auf Weißwürste. Jetzt ist meine Schwiegertochter schwanger und ich habe Lust auf Weißwurst. Wie kann das sein?" Armin Jelenik, stellvertretender Chefredakteur, sagt dann auch: "Ich bin immer überrascht, was Leser an uns herantragen."

Ein Best-Of der lustigsten Leserbriefe gibt es im Video zu sehen: 

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