Im Herzen Fürths entsteht das Ludwig-Erhard-Zentrum

11.9.2017, 06:00 Uhr
Auf zehn Millionen Euro wird das gesamte Projekt zunächst veranschlagt, inzwischen rechnen die Verantwortlichen – Träger ist die 2013 gegründete Stiftung Ludwig-Erhard-Haus – mit 17,4 Millionen

© Stefan Hippel Auf zehn Millionen Euro wird das gesamte Projekt zunächst veranschlagt, inzwischen rechnen die Verantwortlichen – Träger ist die 2013 gegründete Stiftung Ludwig-Erhard-Haus – mit 17,4 Millionen

"Nein, bitte nichts verraten, die Spannung muss doch erhalten bleiben!" Gerade noch hat Evi Kurz die Journalisten neugierig gemacht, hat ihnen erzählt von dem "kulturpolitischen Schatz, der nach über 30 Jahren aus Übersee in die Heimat zurückkommt" und der das Schmuckstück des Ludwig-Erhard-Zentrums werden soll. Um dann aber die Bitte hinterherzuschieben, jetzt bloß nicht zu recherchieren, um welchen Nachlass-Gegenstand es sich hier handelt. Denn die Besucher, sie sollen doch einen besonderen Grund haben, hierher zu kommen.

Hierher, das ist das Ludwig-Erhard-Zentrum direkt hinter dem Fürther Rathaus. Noch ist der Neubau auf einem ehemaligen Parkplatz (dort stand einst das legendäre Café Fürst, in dem auch Erhard verkehrte) eine riesige Baustelle. Bald aber soll es gemeinsam mit Erhards Geburtshaus gegenüber eine Ausstellung bilden. Evi Kurz, Vorsitzende des Ludwig-Erhard-Initiativkreises und des Vorstands der Stiftung Ludwig-Erhard-Haus, hofft, dass die Bauarbeiten bis Ende des Jahres fertig sind. "Wir arbeiten schwer darauf hin", sagt sie.

Ein Besuch als Initialzündung

Lange Zeit erinnerte in Fürth nur wenig an den früheren Wirtschaftsminister und Bundeskanzler – ein Straßenname, eine Tafel am Geburtshaus, eine Büste vor dem Wirtschaftsrathaus. Dabei ist die Idee, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft ein gewichtigeres Denkmal zu setzen, schon viele Jahre alt. Als Initialzündung für das, was nun Ludwig-Erhard-Zentrum heißt, erwies sich ein Besuch in Lübeck. Dorthin – genauer: ins Lübecker Willy-Brandt-Haus – verschlägt es im Jahr 2009 ein Mitglied des Ludwig-Erhard-Initiativkreises. So etwas in Fürth, das wäre schon was, erzählt der begeisterte Besucher später in der Heimat.

Mit der Idee, eine Bundesstiftung zu gründen, wie es sie für andere Kanzler gibt, wendet sich der Initiativkreis schließlich ans Kanzleramt. Von dort kommt aber der Verweis nach Bonn. In der alten Bundeshauptstadt gibt es bereits einen Verein, die Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., der Bundesgelder bekommen hat – man könne keine zweite Institution zum Thema Ludwig Erhard mit Bundesmitteln fördern. Doch Evi Kurz lässt nicht locker, und schließlich stellt der Bund doch Geld bereit – für den Erwerb von Ludwig Erhards Geburtshaus. Die Bedingung: Der Freistaat Bayern macht finanziell auch mit. Tut er.

Auf zehn Millionen Euro wird das gesamte Projekt zunächst veranschlagt, inzwischen rechnen die Verantwortlichen – Träger ist die 2013 gegründete Stiftung Ludwig-Erhard-Haus – mit 17,4 Millionen. Die Maßnahmen, die zur Kostensteigerung beigetragen haben, nennt Kurz allesamt "unvorhersehbar und unabweisbar": Beim Rohbau etwa habe aus vergaberechtlichen Gründen der billigste Bieter ausgeschlossen werden müssen (Mehrkosten: 600.000 Euro); das Geburtshaus sei deutlich maroder gewesen, als erste Prüfungen ergeben hätten, und auch der Bauboom erwies sich als Kostentreiber – die Firmen seien so ausgelastet, dass bei den Ausschreibungen teilweise nur eine ein Angebot eingereicht habe. Auch ließ sich ein anfangs geplanter Keller wegen der U-Bahn, die unter dem Gelände verläuft, nicht realisieren. Als Ersatz stellte die Stadt, die im Rahmen der Städtebauförderung gut zehn Prozent der Baukosten trägt, das alte Stallungsgebäude neben dem Rathaus zur Verfügung. Das Gebäude instand zu setzen, kam aber teuer.

Wer in Zukunft die Ausstellung im Ludwig-Erhard-Haus besucht, der kauft sein Ticket im Eingangsbereich des Neubaus, fünf Euro kostet der reguläre Eintritt. Es gehe nicht darum, kostendeckend zu arbeiten, sagt Evi Kurz, denn dann sei man schnell bei Ticketpreisen von 20 Euro. Dies würde aber dem Ziel des Zentrums widersprechen, Erhards Wirken einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen.

Für den Betrieb bedeutet das: konstante Defizite. Mit laufenden Kosten von 800.000 Euro pro Jahr rechnet die Stiftung. Zahlen soll die der bayerische Staat, im Haushalt des Freistaats gibt es einen entsprechenden Titel. Eine Garantie, dass Bayern auch über den Doppelhaushalt 2017/18 hinaus zahlt, ist das aber nicht. Die Stadt Fürth hat jedenfalls schon klargemacht: Wir zahlen für die laufenden Defizite nicht. "Keinen Cent" habe man zugesagt, betonte Oberbürgermeister Thomas Jung kürzlich.

"Wir sind hier an der Wiege der sozialen Marktwirtschaft"

Die in Deutsch und Englisch aufbereitete Ausstellung wird chronologisch aufgebaut sein, sie beginnt konsequenterweise im Geburtshaus. Im zweiten Stock wuchs der 1897 geborene Erhard auf. "Wir haben die alte Raumstruktur wieder hergestellt", sagt Kurz. Wer die Häuser der Kaiserzeit kennt, weiß, dass dies vor allem kleine Räume bedeutet – ein starker Kontrast zur großzügigen Architektur des Neubaus gegenüber. Die Schau im Geburtshaus führt von Erhards Kindheit bis zum Kriegsende 1945. "Wir sind hier an der Wiege der sozialen Marktwirtschaft", sagt Evi Kurz. Fürth habe Ludwig Erhard stark geprägt. Seine Familiengeschichte und das Unternehmertum der Eltern – sie hatten ein Textilgeschäft – hätten dem Jungen gezeigt, dass Fleiß und harte Arbeit sich lohnen, dass man sich von ihr etwas leisten konnte.

Im Erdgeschoss des Geburtshauses, wo zuvor ein Antiquitätengeschäft war, entsteht derzeit ein Museumscafé, hier sind die Bauarbeiten auch schon am weitesten fortgeschritten. Der Parkettboden ist verlegt, die Küchengeräte sind eingebaut. Die Einrichtung soll die alte Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre wieder lebendig machen. "Die Gesamt-Ausstellung hat drei rote Fäden: die Biografie Erhards, die Zeitgeschichte und die deutsche Wirtschaftsgeschichte", erklärt Kurz.

An dieser Stelle fragen viele Fürther: Hätte das Geburtshaus mit seinen 300 Quadratmeter Ausstellungsfläche dafür nicht gereicht? Braucht es wirklich die 900 Quadratmeter, die im Neubau direkt gegenüber entstehen? "Wir hatten eigentlich immer nur das Geburtshaus im Blick, wir sind bescheidene Fürther", sagt Evi Kurz. Als es um die Förderung durch den Bund ging, habe ein Kanzleramts-Vertreter vor Ort dann aber festgestellt: "Sie haben viel zu wenig Platz." Eine Meinung, die Evi Kurz heute teilt. Selbst der Raum, der mit dem Neubau geschaffen wurde, reiche gerade so aus. "Üppig ist er nicht." Ein Stück weit lässt sich das bei dem Gang über die Baustelle nachvollziehen: Was von außen so massiv, ja überdimensioniert aussieht, wirkt im Inneren plötzlich recht schmal. Treppen, Aufzug, Technik, das braucht mehr Platz, als es von außen den Eindruck macht.

Überhaupt, der Eindruck von außen. Der hat, neben den hohen Kosten, schon bei manchem Fürther für Unmut gesorgt. Die kubusförmige Gebäudeform, das uniforme Beige, in dem der Neubau gestrichen ist, dessen schiere Größe – das gefällt vielen nicht. Zumal der architektonische Gegensatz, das sandsteinerne Fürther Rathaus, ein Schmuckstück, direkt nebenan steht. Dabei fällte die hochkarätig besetzte Jury nach einem Architektenwettbewerb fast einstimmig den Beschluss für den Bau in der jetzigen Form, er ermögliche die im Inneren geplante Inszenierung am besten, sagt Kurz.

Herzstück der Neubau-Schau ist die Dauerausstellung im ersten Stock, die Erhards Wirken ab 1945 bis über seinen Tod 1977 hinaus nachzeichnet – nicht nur mit Tafeln und Schaukästen, sondern mit Filmmaterial und interaktiven Medienstationen. Derzeit wird die Ausstellung von zwei Berliner Büros vorbereitet. "Wir werden hier keinen Ludwig Erhard auf dem Goldsockel präsentieren", sagt Kurz. "Wir stellen uns der Wissenschaft." Über Erhards Rolle in der Zeit des Nationalsozialmus habe man eigens Historiker mit neuen Nachforschungen betraut.

Den zweiten Stock teilen sich eine Wechselausstellung – geplant ist 2018 eine Schau zu 70 Jahren Währungsreform – und ein interaktiver Zukunftsraum, der zeigt, welche Antworten Erhard auf aktuelle Fragen wie die Digitalisierung geben kann. "Ludwig Erhard hat uns bis heute etwas zu sagen", glaubt Kurz.

Im Spiel-Supermarkt lernen Kinder den Umgang mit Geld

Im dritten Stock entsteht ein Veranstaltungsraum, der für verschiedene Anlässe vermietet wird, den aber vor allem das Museum selbst und das angegliederte Forschungsinstitut für Seminare nutzen wollen. Letzteres wird gemeinsam mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Uni Erlangen-Nürnberg im Erhard-Zentrum aufgebaut. Die Institutsräume, die im Laufe des nächsten Jahres ein Professor mit seinen Mitarbeitern beziehen soll, sind ebenso wie eine Bibliothek in einem Seitenflügel des Geburtshauses untergebracht.

Wenige Meter weiter, in einem Nebengebäude, sind dann 100 weitere Quadratmeter für Kinder reserviert. In einem museumspädagogischen Raum können sie in einem Spiel-Supermarkt selbst einkaufen gehen und den Umgang mit Geld einüben – ein Angebot, das sich vor allem an Vor- und Grundschüler richtet.

Von Erhard können sich Kinder in puncto Geld sicher etwas abschauen – seinen Zigarrenkonsum sollten sie sich aber nicht zum Vorbild nehmen. Auch deswegen müssen die Initiatoren bis zur Eröffnung noch eine wichtige Frage klären: Soll es im Museumsshop Schokoladen-Zigarren zu kaufen geben? Evi Kurz hielt das für eine schöne Idee angesichts des Zigarrenfans Erhard. Doch noch ist nicht jeder in der Stiftung überzeugt.

 

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