Incirlik-Nachfolge: Bundeswehr startet Mission in Jordanien

1.10.2017, 13:00 Uhr
Die Aufklärungsmission der Bundeswehr wird in personell abgespeckter Form vom Standort Al-Asrak in Jordanien fortgeführt.

© Pao Counter Daesh/Bundeswehr/dpa Die Aufklärungsmission der Bundeswehr wird in personell abgespeckter Form vom Standort Al-Asrak in Jordanien fortgeführt.

Das Kapitel Incirlik ist für die Bundeswehr geschlossen. Die vergangenen Monate war die Truppe im Umzugsstress. Die Verlegung vom türkischen Luftwaffenstützpunkt ist fast abgeschlossen. In wenigen Tagen sollen die Tornados vom Stützpunkt Al-Asrak aus ihren Einsatz gegen die Terrormiliz IS fortführen.

Wieso ist die Bundeswehr aus der Türkei abgezogen?

Weil die türkische Regierung Bundestagsabgeordneten immer wieder den Besuch bei den dort stationierten Soldaten verweigert hatte. Sie begründete das Besuchverbot in Incirlik damit, dass Deutschland türkischen Offizieren Asyl gewährt hat. Der Bundestag pocht aber auf sein Besuchsrecht, weil das Parlament die Truppe auch in die Einsätze schickt. Deshalb beschloss das Parlament im Juni den Abzug der Bundeswehr aus Incirlik in Richtung Jordanien.

Wieso ausgerechnet Jordanien?

Die Basis Al-Asrak grenzt ebenfalls direkt an das Operationsgebiet in Syrien, was vergleichsweise kurze Wege bedeutet. Dazu kommt, dass auf der jordanischen Luftwaffenbasis neben den jordanischen Streitkräften auch US-Amerikaner, zeitweise auch Belgier und Niederländer stationiert sind, deren Logistikerfahrung man nutzen kann. Jordanien sei zudem ein "verlässlicher, stabiler Partner in der Region", heißt es im Bundesverteidigungsministerium. Trotzdem ist der Stützpunkt nur eine Notlösung. Der Umzug war aus Sicht von Bundesregierung und Parlament politisch zwar unausweichlich. Militärisch sinnvoll ist er nicht.

Wie aufwendig und teuer war der Umzug?

Das technische Gerät musste per Schiff und Flugzeug von der Türkei nach Jordanien gebracht werden. Insgesamt wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums in zwölf Wochen 2000 Tonnen Material transportiert. Kostenpunkt: Sieben Millionen Euro.

Wie läuft der Einsatz nun weiter?

Die Tornado-Aufklärungsmaschinen stehen derzeit noch auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz und sollen nächste Woche verlegt werden. Das Tankflugzeug ist schon seit Monaten von Jordanien aus im Einsatz. Die Bundeswehr wird weiter die Luftangriffe der internationalen Allianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen - allerdings in etwas abgespeckter Form. Statt 260 werden nur noch 200 Soldaten vor Ort sein, statt sechs werden nur noch vier Tornados hochauflösende Bilder zur Identifizierung von Angriffszielen machen. Weil der IS auf dem Rückzug ist, werde das Gebiet zur Aufklärung, dass man überfliegen müsse, immer kleiner, heißt es aus dem Ministerium. Die anderen zwei Maschinen bleiben aber in Bereitschaft in Deutschland.

Dürfen Abgeordnete künftig die Soldaten in Al-Asrak besuchen?

Zumindest deutet derzeit nichts auf Probleme hin, auch wenn der Linken-Verteidigungsexperte Alexander Neu ein Nullsummenspiel für die Bundeswehr befürchtet. Er hatte schon im Juli vergeblich einen Besuch beantragt, um das jordanische Besuchsrecht auszutesten. "Ich sehe es weder gefährdet noch gewahrt, weil es bisher nicht ausprobiert wurde." Der jordanische König hat den Deutschen aber demonstrativ seine Unterstützung sowie die Gastfreundschaft des gesamten Landes zugesichert - die Bundesregierung verlässt sich darauf.

Ist damit alles in trocknen Tüchern?

Nicht ganz. Die Bundesregierung hat mit Jordanien immer noch keine Einigung über das Stationierungsabkommen für die deutschen Soldaten erzielt. Deutschland will dabei durchsetzen, dass die Soldaten durch volle Immunität vor Strafverfolgung geschützt werden. Jordanien hat das bislang nicht akzeptiert. "Sollte das nicht hinhauen mit der Immunität, kann man die Soldaten definitiv nicht dort stationieren", kritisiert Linken-Politiker Neu. "Die Bundeswehr unter Schariarecht - das ist völlig absurd." Neben der zivilen Gerichtsbarkeit gibt es in Jordanien nämlich auch islamische Gerichte. Die Zuständigkeiten der Scharia-Gerichte beschränken sich jedoch auf bestimmte Bereiche wie beispielsweise das Familienrecht. Weil die Bundeswehr ihre Bündnisverpflichtungen erfüllen will, setzt man den Einsatz dennoch erstmal fort.

Ist diese Rechtsunsicherheit nicht gefährlich für die Soldaten?

Im Verteidigungsministerium zumindest gibt man sich zuversichtlich. Es bestehe kein Risiko für Soldaten, der Einsatz werde auch nicht beeinträchtigt. Man wolle zeitnah zu einer Lösung mit den Jordaniern kommen. "Die Verhandlungen sind sehr konstruktiv", sagte ein Sprecher am Freitag.

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