Islam-Streit: Die CSU schürt eine dumpfe Debatte

23.3.2018, 08:55 Uhr
Der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer hält den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" für falsch.

© dpa Der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer hält den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" für falsch.

Auf Facebook, dem Medium für die besonders krassen Botschaften, bildet die CSU das Ergebnis einer Umfrage zum heiß diskutierten Satz ihres Vorsitzenden ab. Horst Seehofer hatte vergangene Woche bekanntlich gesagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Laut der Umfrage stimmen 76 Prozent der Deutschen diesem Satz zu.

Und was macht die CSU im Netz? Sie bebildert dieses Ergebnis allen Ernstes mit einer Burka. Das ist intellektuell erbärmlich, dreist und fernab von der Realität. Denn die Zahl der muslimischen Frauen in Deutschland, die Burka tragen, ist "verschwindend gering" - so der Erlanger CSU-Politiker Stefan Müller. Es gibt dazu keine exakten Zahlen, Schätzungen gehen von maximal 2000 Frauen aus.

In Deutschland leben aber rund 4,5 Millionen Muslime, davon etwa die Hälfte Frauen. Macht also gut zwei Millionen Musliminnen. Maximal 0,1 Prozent von ihnen tragen eine Burka. Aber die CSU tut so, als sei dieses Kleidungsstück gleichzusetzen mit "dem" Islam. Würde man, zum Beispiel, "das" Christentum mit einem Foto eines Bußpredigers bebildern oder als Symbolfoto für Bayern einen Reichsbürger wählen - es wäre ähnlich abstrus und zugleich infam wie das, was die CSU da veranstaltet. Und wenn die AfD mit solchen Bildern agiert, was sie nicht selten tut, dann empören sich nicht wenige CSU-Politiker darüber.

"Hinsehen und unterscheiden"

Aber nun agiert ihre Partei auf ähnlichem Niveau: ganz unten. Gut, dass sich das nicht alle Christsozialen gefallen lassen - unter den weitestgehend zustimmenden Kommentaren auf Facebook zur CSU-Botschaft finden sich auch Stimmen, die den dumpfen Debattenstil der Parteispitze kritisieren. Als Alexander Dobrindt Seehofers Botschaft sogar noch verschärfte und sagte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, und zwar "egal in welcher Form", da entgegnete zum Beispiel der Nürnberger CSU-Stadtrat Joachim Thiel: "Salafismus, Dschihadismus, Scharia, das alles gehört nicht zu Deutschland. Das gilt aber nicht für einen friedlich und spirituell als Religion gelebten Islam. Mal bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Sondern: Hinsehen und unterscheiden."


Zum Artikel: Wie christlich-jüdisch geprägt ist Deutschland wirklich? 


Genau das aber wollen viele Menschen nicht mehr. Sie bevorzugen einfache Botschaften. Die klare Aufteilung der Welt (und auch Deutschlands) in Gut und Böse. Freund und Feind. Das Internet mit seinen angeblich sozialen Netzwerken liefert diese Botschaften in rauen Mengen. Dort boomen Verschwörungstheorien, die es immer schon gab — aber im Netz verbreiten sie sich viel rasanter.

Welchen Islam wollen wir?

Natürlich braucht dieses Land eine Debatte darüber, wie es mit den radikalen Strömungen umgeht, die es im Islam ohne Zweifel gibt. Gefordert ist da zunächst die Politik - und vor allem die Innenminister von Bund und Ländern. Also Horst Seehofer und, für Bayern, Joachim Herrmann. Es ist ihre Aufgabe, Salafisten und Dschihadisten zu beobachten und gegebenenfalls gegen die vorzugehen, die gegen geltendes Recht verstoßen oder die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit missbrauchen, indem sie andere Artikel des Grundgesetzes missachten. Die Frage muss lauten: Welchen Islam wollen wir? Gewiss nicht den zum radikalen Fundamentalismus pervertierten, sondern einen Islam, der sich einfügt in die freiheitliche Grundordnung des Landes und die Vorherrschaft weltlicher über religiöse Regeln anerkennt (nebenbei: Das hat beim Christentum auch lange gedauert).

Es gibt nicht "den" Islam. Und "die" Muslime sind höchst verschieden. Die Art, wie die CSU statt seriöser Politik nun Dauerwahlkampf macht, ist nicht hilfreich, sondern schädlich. Sie grenzt aus, polarisiert und wirft Integration da zurück, wo sie machbar oder schon gelungen ist.

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