Ist das Logopädie-Studium die bessere Ausbildung?

11.3.2016, 15:08 Uhr
Ist das Logopädie-Studium die bessere Ausbildung?

© Foto: Astrid Löffler

Rhythmisch schwingen die Keulen an Lea und Valentin vorbei. Mit fast gestreckten Armen bewegen sie die Turngeräte abwechselnd vor und zurück, während sie dazu melodisch dieselben Sätze wiederholen. Das funktionale Stimmtraining sei nicht jedermanns Sache, berichten die zwei Logopädie-Studierenden im fünften Semester. Ihnen aber macht der Bewegung und Stimme verbindende Ansatz, der in Erlangen weiterentwickelt wurde und gut geeignet ist, um etwa kraftlose und ständig heisere Stimmen von Lehrern zu behandeln, großen Spaß. Schließlich haben sich die beiden für den Modellstudiengang auch entschieden, weil sie Singen und Musik schon lange in ihrem Leben begleiten.

Potpourri von Möglichkeiten

An der 1968 gegründeten Staatlichen Berufsfachschule für Logopädie Erlangen, die zum Uniklinikum gehört, lernen die Studierenden ein ganzes Potpourri an Therapiemöglichkeiten kennen für die verschiedenen Kommunikationsprobleme. Diese können von Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern über Stottern und Schluckstörungen bis hin zu neurologischen Beeinträchtigungen, etwa nach einem Schlaganfall, reichen. Der Unterricht erfolgt dabei immer zuerst theoretisch, anschließend erproben die Auszubildenden das Gelernte mit Patienten. „Beim funktionalen Stimmtraining geht es vor allem um lockere, elastische Übungen“, erklärt Valentin Hartmann. „Es lässt sich beispielsweise auch auf dem Trampolin oder beim Balancieren durchführen.“

200 Therapien führen die Studierenden im Laufe ihrer dreieinhalbjährigen Ausbildung durch, die sowohl mit der herkömmlichen Berufsurkunde Staatlich Geprüfte(r) Logopäde/in als auch mit dem Bachelor (BA) of Science Logopädie abschließt. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass sich die angehenden Logopäden in allen möglichen Einsatzfeldern ausprobieren und so eine möglichst breite Qualifikation erwerben. „Die Studierenden sind Schüler und Studenten gleichermaßen“, resümiert Studiengangkoordinatorin Sabine Degenkolb-Weyers. „Die ganze Berufsschulausbildung ist modular umgestellt worden.“

Mit zirka einem Drittel fällt der Praxisanteil in dem Studiengang sehr hoch aus. Ausgehend vom theoretischen Unterricht planen die Studierenden ihre Therapiestunden zunächst schriftlich und bekommen ihre Pläne von den Lehrlogopäden verbessert, ehe sie mit den Patienten arbeiten. Dabei werden die Studierenden durch eine Spiegelscheibe, wie man sie von Verhören bei der Kriminalpolizei kennt, beobachtet.

Ist das Logopädie-Studium die bessere Ausbildung?

© Foto: www.rudi-ott.de

Mindestens eine Lehrkraft und ein Kommilitone, mit dem sie gemeinsam den Patienten betreuen, ist immer im Hintergrund dabei — manchmal schauen auch Studierende aus niedrigeren Semestern zu. „Am Anfang ist es schon schwierig, so unter Beobachtung zu stehen“, berichtet Lea Strehler. „Aber dann sagt man sich: Es ist ja im Therapieraum nur ein Spiegel und dann kann man es gut ausblenden.“ Die anschließende Besprechung der Stunden, die Analyse ihrer Wirkung und entsprechende Anpassung der Therapie, schlage sich in einer hohen Qualität sowohl der Behandlung als auch der Ausbildung nieder. „Das ist der große Vorteil des Studiums: Das wissenschaftliche Arbeiten und evidenzbasierte Therapien fließen von vorneherein ein“, sagt Degenkolb-Weyers.

Hintergrund des 2011 gestarteten Modellversuchs sei es gewesen, in Europa gleichwertige Abschlüsse in der Logo-, Ergo- und Physiotherapie sowie im Hebammenwesen zu schaffen. Das herkömmliche deutsche Modell der privaten und staatlichen Berufsfachschulen zur Logopädenausbildung etwa sei europaweit einzigartig. Die Erfahrungen mit den bis 2017 angelegten Modellstudiengängen seien durchweg positiv, weshalb die beteiligten Berufsverbände jetzt auf die Überführung in ein reguläres Bildungsangebot drängen — auch weil ihnen sonst Planungs- und Finanzierungssicherheit fehlen.

Für Degenkolb-Weyers hat die vierjährige Evaluation durch das Zentralinstitut für Angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation klar gezeigt: „Der Studiengang Logopädie verbindet das Beste aus zwei Welten.“ Die 16 Studierenden pro Jahrgang seien mit dem Angebot, für das sich jährlich 200 junge Menschen aus ganz Deutschland bewerben, sehr zufrieden. Voraussetzung für eine Bewerbung ist die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife.

Durch ein „leistungsgesteuertes Losverfahren“ werden nach Abiturnote, Deutschnote und Musikalität jene ausgesucht, die zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. „Am meisten trennt es sich bei der Deutschnote“, berichtet die Studiengangkoordinatorin. „In vielen Bereichen sind Logopäden auch linguistisch extrem gefordert.“ Angesichts der wachsenden Zahl von Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, können Bewerber durch Zweisprachigkeit weitere Pluspunkte sammeln, ergänzt Dozentin Antje Krüger.

Patient muss kooperieren

„Das Besondere an logopädischen Behandlungen ist, dass wir immer über die Kognition gehen müssen“, erklärt Degenkolb-Weyers. „Wir sind immer aufs Mitdenken angewiesen.“ Wenn etwa Kinder oder Jugendliche wenig Lust haben, mitzuarbeiten, ist der Einfallsreichtum der Logopäden gefragt. Prinzipiell haben Logopäden mit Patienten jeden Alters zu tun; das Spektrum reicht von der Neonatologie bis zur Geriatrie. Nach ihrem Abschluss arbeiten Logopäden oft zunächst als Generalisten und spezialisieren sich später auf bestimmte Bereiche, die im Laufe ihres Berufslebens aber durchaus wechseln können. Sofort in die Selbständigkeit starteten die wenigsten, berichtet Degenkolb-Weyers. „Außer sie möchten in ländlichen Gebieten arbeiten, in denen die Versorgung mit Logopäden schlecht ist.“

Etwa zwei Drittel der Absolventen fängt zunächst in Praxen an, ein Drittel wird in neurologischen Kliniken tätig oder schließt einen Masterstudiengang an. Lea und Valentin zieht es dann erst mal ins Ausland. Denn in dem eng getakteten Ausbildungsplan, der nach dem sechsten Semester das Staatsexamen und im siebten Semester eine Bachelorarbeit vorsieht, ist ein Auslandssemester fast ausgeschlossen. Allerdings gibt es inzwischen die Möglichkeit, im Anschluss an das Studium ein Erasmus-gefördertes 60-tägiges Auslandspraktikum zu absolvieren.

Die Staatliche Berufsfachschule für Logopädie sucht laufend Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern. Bewerbungen für einen Studienplatz sind immer nur im November eines Jahres möglich. Weitere Informationen unter www.bfs-logopaedie.uni-erlangen.de

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