Istanbul: Zwei Attentäter waren im Terminal des Airports

30.6.2016, 21:25 Uhr
Nach muslimischer Tradition werden die Opfer des brutalen Attentats von ihren Verwandten beerdigt.

© dpa Nach muslimischer Tradition werden die Opfer des brutalen Attentats von ihren Verwandten beerdigt.

Die Attentäter vom Atatürk-Flughafen in Istanbul stammen den türkischen Behörden zufolge aus Rekrutierungsgebieten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Kaukasus und in Zentralasien. Die Selbstmordattentäter seien ein Usbeke, ein Kirgise und ein russischer Staatsbürger gewesen, hieß es am Donnerstag aus türkischen Regierungskreisen. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, der russische Staatsbürger stamme aus der Region Dagestan.

Zwei Tage nach dem Terrorangriff kam es in Istanbul und Izmir zu zahlreichen Festnahmen. In Istanbul wurden 13 mutmaßliche Anhänger der Dschihadistenmiliz islamischer Staat (IS) festgenommen. Unter den Verhafteten seien viele Ausländer, sagte der türkische Innenminister Efkan Ala am Donnerstag im Parlament. Die türkische Regierung verdächtigt die Terrormiliz IS, hinter dem Angriff vom Dienstagabend mit insgesamt mindestens 46 Toten zu stecken.

Einer der Attentäter 2011 bereits inhaftiert

Einer der Selbstmordattentäter am Atatürk-Flughafen ist 2011 in bulgarischer Haft gewesen. Es handelt sich nach einem Bericht des Staatsfernsehens in Sofia vom Donnerstag um einen russischen Staatsbürger, den Tschetschenen Achmed Radschapowitsch. Der Mann wurde damals an einem bulgarisch-türkischen Grenzübergang auf Ersuchen Russlands festgenommen, als er Bulgarien verlassen wollte. Der Tschetschene wurde allerdings nicht an Russland ausgeliefert, da er 2003 politisches Asyl in Osterreich erhalten hatte. Deswegen lehnte das Gericht im bulgarischen Plowdiw seine Auslieferung nach Russland ab.

Die Regierung in Moskau bestätigte einen russischen Attentäter zunächst nicht. Usbekistan, Kirgistan und Dagestan sind überwiegend muslimisch und gehörten einst zur Sowjetunion. Viele Extremisten aus dem Kaukasus und Zentralasien haben sich dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen. Ministerpräsident Binali Yildirim räumte ein, dass zwei der insgesamt drei Selbstmordattentäter doch in das Flughafengebäude eindringen konnten. Yildirim sagte am Mittwochabend nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, die Angreifer hätten zunächst das Feuer auf das Sicherheitspersonal am Eingang eröffnet. Einer habe sich außerhalb des Gebäudes in die Luft gesprengt. Die anderen beiden hätten die Panik ausgenutzt, um ins Terminal einzudringen.

Opferzahlen sind weiter gestiegen

Die Zahl der von den Angreifern getöteten Ausländer ist höher als bislang bekannt. Innenminister Efkan Ala sagte am Donnerstag, 19 Ausländer seien unter den Opfern. Die Zahl der Todesopfer sei auf 43 gestiegen. Nicht darin eingerechnet sind die drei Selbstmordattentäter, die ebenfalls starben. Fast 240 Menschen wurden verletzt, darunter eine Deutsche. Nach Angaben des Istanbuler Gouverneursamt wurden am Donnerstag noch 94 Verletzte in Krankenhäusern behandelt.

Yildirim kündigte an, die Regierung werde "die Präsenz von unserem Sicherheitspersonal an den Eingängen in unseren Flughäfen steigern". Besonders gelte das für speziell ausgebildete Sicherheitskräfte. Aus Regierungskreisen hatte es zunächst geheißen, keiner der drei Angreifer sei ins Terminal eingedrungen, obwohl Augenzeugenberichte und Videos darauf hindeuteten. Yildirim hatte nur Stunden nach dem Angriff gesagt: "Weder im Abflug- noch im Ankunftsbereich am Flughafen kann von einer Sicherheitslücke die Rede sein."

Bei Razzien gegen die Terrormiliz IS in Istanbul wurden am Donnerstag 13 Verdächtige festgenommen worden. Darunter seien drei Ausländer, hieß es aus Regierungskreisen. In der westtürkischen Stadt Izmir habe die Polizei neun weitere Verdächtige festgenommen.

"Sie haben ihren Platz in der Hölle vorbereitet"

Es war bereits der vierte schwere Anschlag in Istanbul seit Jahresbeginn. Der IS hat sich noch zu keinem der ihm in der Vergangenheit zugeschriebenen Anschläge in der Türkei bekannt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sprach den Selbstmordattentätern jegliche religiöse Rechtfertigung für die Bluttat ab. "Das sollen Muslime sein?", fragte Erdogan nach Angaben von Anadolu am Mittwochabend. "Sie haben ihren Platz in der Hölle vorbereitet." Der Präsident verwies auf Sure 5 im Koran, wonach das Töten eines unschuldigen Menschen dem Töten der gesamten Menschheit gleichkommt.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte mehr Solidarität: "Europa macht zu oft den Fehler, dass es Terrorismus als zweitrangig betrachtet, wenn er nicht direkt vor der eigenen Tür geschieht", sagte der Vorsitzende des Verbands, Gökay Sofuoglu, der Rheinischen Post am Donnerstag.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen drängt die türkische Regierung indes, die umstrittenen Anti-Terror-Gesetze des Landes zu lockern. "Unter dem Deckmantel der Anti-Terror-Gesetzgebung darf keine allgemeine Anti-Oppositions-Gesetzgebung stattfinden", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Sicherheitslage in der Türkei sei besorgniserregend: "Die Häufung der Anschläge in der Türkei drückt eine zunehmende Eskalation von terroristischer Gewalt und staatlich-militärischer Gegengewalt aus."

Nach Informationen der Bild-Zeitung gibt es in der EU-Kommission Überlegungen, vom harten Kurs gegenüber der Türkei abzurücken. Bislang verlangte Brüssel eine Abmilderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze im Gegenzug für Visa-Erleichterungen.

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Dieser Artikel wurde am Donnerstag gegen 21.25 Uhr aktualisiert.

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