Keine Ergebnisse bei stundenlangem Koalitionsgipfel in Berlin

27.4.2015, 10:01 Uhr
Keine Ergebnisse bei stundenlangem Koalitionsgipfel in Berlin

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Thomas Oppermann bekommt von der Union zum Geburtstag nichts geschenkt. Zumindest nicht im politischen Sinne. Nach vier Stunden zäher Gespräche, garniert mit Spargel, ist Mitternacht erreicht. Der SPD-Fraktionschef wäre nun, zu seinem 61. Geburtstag, gerne daheim in Göttingen. Zwar hat die Kanzlerin Schampus zum Anstoßen organisiert, aber beim zentralen Streitpunkt Mindestlohn geht nichts voran. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gibt einen Bericht, der wird zur Kenntnis genommen. Am Ende heißt es: Vertagung.

Als der Koalitionsgipfel bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach sechs Stunden um zwei Uhr morgens zu Ende geht, ist die Ernüchterung groß. "Ziemlich schlimm", "Im Grunde nichts beschlossen", "unheimlich dürftig", lauten Kommentare aus Koalitionskreisen. Eigentlich sollte das Treffen der Partei- und Fraktionschefs im Kanzleramt den Auftakt zu einem "Frühjahr der Entscheidungen" bilden. Nun heißt es in der Koalition: "Das Frühjahr ist da, aber die Entscheidungen noch nicht." Von SPD-Seite wird dafür vor allem einer verantwortlich gemacht: CSU-Chef Horst Seehofer. Der hatte vorab via "Bild am Sonntag" kräftig gegen die SPD ausgeteilt.

Schwere Belastung für die Koalition

"Die Regelungswut und das Dokumentationswirrwarr beim Mindestlohn sind auch Gründe für die schlechten Umfrageergebnisse der SPD", hatte er etwa gestichelt. Und er warf der SPD vor, mit "allen Tricks unsere Projekte" zu bekämpfen, das sei eine schwere Belastung der Koalition.

Zum einen habe Seehofer mit seinem Forderungen nach substanziellen Änderungen an den Mindestlohnregeln die Latte sehr hoch gelegt. Zum anderen mit seinen Attacken die Einigungsbereitschaft torpediert, heißt es hinterher. Richtig angefressen wirken die Sozialdemokraten. Mal sehen, wie dieser Abend auf die Koalitionsarbeit nachwirken wird.

So wurde erst einmal in schwieriger Atmosphäre stundenlang über ein Schlüsselprojekt, die Reform der Bund/Länder-Finanzbeziehungen beraten. Was soll etwa aus dem unbeliebten Solidaritätszuschlag werden, wenn er 2019 ausläuft? Die SPD würde ihn gerne danach in die Einkommensteuer integrieren, damit die klammen Länder auch etwas von den bisher dem Bund zustehenden Milliardeneinnahmen bekommen.

Die Union will den "Soli" zwar auch nicht gleich beerdigen, aber schrittweise abschaffen. Spätestens bis 2029. Seehofer spricht vollmundig von der "größten Steuersenkung aller Zeiten" mit 20 Milliarden Euro Volumen. Zudem will er den Länderfinanzausgleich, mit dem Bayern Länder wie Berlin mitfinanziert, um zwei Milliarden Euro kappen. Auch das Thema kommt auf Wiedervorlage, weitere Beratung.

Ein kleiner Sieg für die Sozialdemokraten

Mit ernstem Gesichtsausdruck betritt Nahles um 21.20 Uhr das Kanzleramt, wo die Koalitionsspitzen schon seit mehr als einer Stunde tagen. Für sie heißt es erstmal warten, warten, Spargel essen.

Als sie nach Mitternacht und Oppermanns Geburtstag drankommt, kann sie mit einem umfassenden Bericht über die Erfahrungen mit dem seit Januar geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro aufwarten - ihr Fazit stand schon vorher fest: Geändert werden muss nichts. Es bleibt dabei, dass vor allem die CSU das ganz anders sieht. Die Union hätte im Verbund mit der Wirtschaft gerne, dass in Branchen wie Bau und Gastronomie die Schwelle zum Aufschreiben von Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit nur bis zu einem Mitarbeitergehalt von 1900 statt derzeit 2958 Euro gilt. Doch die Verordnung bleibt erstmal - also ist das vorläufige Festhalten ein kleiner Sieg für die Sozialdemokraten.

Doch befriedet ist diese Baustelle nicht. In der Flüchtlingsfrage - eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Zeit - wird immerhin eine "Sprachregelung" verabschiedet. Die versprochene verstärkte Seenotrettung im Mittelmeer will Deutschland unterstützen - aufgenommen werden sollen vor allem Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Und Italien und Griechenland wird personelle Hilfe bei Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen angeboten. Und dann ist da ja noch die umkämpfte, von weiten Teilen der Union abgelehnte Klimaabgabe für alte Kohlemeiler, wenn sie ein Kohlendioxid-Limit überschreiten.

Vizekanzler, SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hätte gerne ein Bekenntnis der Kanzlerin hierzu bekommen. Am Ende wird nur das Ziel bekräftigt, nicht aber das Instrument, um es zu schaffen: 40 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2020 als noch 1990. Das steht aber wortgleich auch schon im Koalitionsvertrag.

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