Koalitionspoker: Union genervt von Verzögerungen

23.1.2018, 19:16 Uhr
Koalitionspoker: Union genervt von Verzögerungen

© Michael Kappeler/dpa

In der Union wächst der Unmut über die SPD wegen Verzögerungen bei den Koalitionsverhandlungen. Da die Sozialdemokraten noch internen Beratungsbedarf reklamierten, dürften die offiziellen Verhandlungen nicht vor Freitag starten. In der Union besteht die Befürchtung, dass die Gespräche nicht bis Karneval abgeschlossen werden können. Dies könnte wiederum eine Regierungsbildung bis Ostern in Frage stellen.

Die Unterhändler von CDU und CSU trafen sich am Dienstag, um ihren Kurs abzustimmen. Dagegen kommt das SPD-Team dem Vernehmen nach erst am Donnerstag zu Beratungen zusammen. Wenn dann am Freitag die offiziellen Gespräche begännen, könnte auch am Wochenende verhandelt werden - voraussichtlich in Arbeitsgruppen, wie es bei der Union hieß.

Vor dem Treffen der Unions-Unterhändler sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU): "Wir sehen ja auch, wie die Stimmung im Lande ist, und wir brauchen da jetzt wirklich schnelle Fortschritte." Man stehe in der Verantwortung, rasch eine Regierung zu bilden. Auch sein hessischer Kollege Volker Bouffier (CDU) mahnte zügige Verhandlungen an.

Fünf Milliarden Euro

Unterdessen sandte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) Kompromisssignale an die SPD. "Bei der Gesundheitsversorgung will natürlich auch die Union Verbesserungen", sagte er der Funke Mediengruppe (Dienstag). Zwar lehne er die von der SPD geforderte Vereinheitlichung der Ärztehonorare ab, eine pauschale Angleichung "würde vermutlich fünf Milliarden Euro kosten". Um aber Anreize für mehr Ärzte auf dem Land zu schaffen, wären hier höhere Honorare für die Behandlung von Kassenpatienten "ein sinnvolles Instrument".

Der SPD-Sonderparteitag hatte sich am Wochenende knapp für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen, aber die Parteiführung um Martin Schulz unter anderem aufgefordert, den "Einstieg in das Ende der Zwei-Klassen-Medizin" durch eine Angleichung der Honorarordnungen für gesetzlich und privat Versicherte durchzusetzen. Dies stieß beim Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) auf Widerstand. Verbandsdirektor Volker Leienbach sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Jede Arztpraxis würde im Schnitt über 50.000 Euro pro Jahr verlieren, wenn die höheren Honorare der Privatversicherten wegfielen". Viele Praxen müssten schließen.

"Respektieren, dass sie in einer schwierigen Situation sind"

Bouffier sagte zu den Forderungen der SPD: "Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Sozialdemokraten zu einen. Wir respektieren, dass sie in einer schwierigen Situation sind, aber es geht nicht nur um die SPD." Auf die Frage, ob er Spielräume bei der von der SPD verlangten Überwindung der "Zwei-Klassen-Medizin" sehe, sagte er: "Da sehe ich eigentlich kaum Spielräume."

Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) muss ein Koalitionsvertrag nicht viel tiefer gehen als das ausgehandelte Sondierungsergebnis. Auch er deutete Kompromissbereitschaft in der Gesundheitspolitik an.

Kauder wandte sich indessen entschieden gegen Zugeständnisse bei der Zuwanderung. Union und SPD hätten bereits "eine ausgewogene Lösung" für den Familiennachzug für Flüchtlinge inklusive Härtefälle gefunden. Während der Sondierungen hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, dass monatlich 1000 Menschen im Rahmen des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige kommen dürfen.

"Das Kontingent muss größer werden"

Die SPD pocht auf eine weitergehende Härtefallregelung. "Das Kontingent muss größer werden", sagte SPD-Vize Ralf Stegner der Rheinischen Post. Nach Schätzungen gibt es aktuell etwa 60.000 Menschen, die für diesen Familiennachzug in Frage kommen könnten. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), warnte im Bayerischen Rundfunk, die SPD dürfe nicht immer mit dem Mitgliederentscheid drohen. "Auch wir haben Mitglieder, die klare Erwartungen an uns, an die CSU-Verhandler haben."

Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert machte indessen deutlich, dass er nichts von Neumitgliedern halte, die nur in die SPD eintreten, um beim Mitgliederentscheid eine große Koalition zu verhindern. "Wir wollen Neumitglieder werben, die aus Überzeugung in die SPD eintreten", sagte er der Rheinischen Post (Mittwoch).

Die Jusos riefen am Montag unter dem Motto "Tritt ein, sag' Nein" dazu auf, in die SPD einzutreten, um beim Mitgliederentscheid den Koalitionsvertrag ablehnen zu können. Der Juso-Chef in NRW, Frederick Cordes, kündigte eine Kampagne nach dem Motto "einen Zehner gegen die GroKo" an. So teuer sei der Mitgliedsbeitrag für zwei Monate. Bis späten Dienstagnachmittag zählte die SPD um die 1600 Neuzugänge.

Über einen möglichen Koalitionsvertrag stimmen am Ende die mehr als 440.000 SPD-Mitglieder ab, sie haben damit das letzte Wort. Kühnert warnte die Parteispitze in einem Beitrag für das Handelsblatt davor, den Mitgliederentscheid zu unterschätzen.

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