Kommentar: Angela Merkel ist weit über dem Zenit

6.4.2018, 12:35 Uhr
Kommentar: Angela Merkel ist weit über dem Zenit

© Ludovic Marin/afp

Vorschusslorbeeren sehen anders aus: Gerade mal noch jeder zweite Deutsche (57 Prozent) glaubt, dass Angela Merkel die richtige Frau am richtigen Platz zur richtigen Zeit ist. Als sie 2014 in ihre letzte Legislatur als Bundeskanzlerin startete, lag dieser Wert noch bei beruhigenden 75 Prozent. Solch einen Absturz als "politisches Erdbeben" zu bezeichnen erscheint fast noch untertrieben. Es ist, aus Merkels Sicht betrachtet, eine Katastrophe.

So etwas ruft nach Ursachenforschung. Ganz sicher hat der CDU-Chefin ihr zunächst überraschend forsches und später sehr zauderhaftes Verhalten in der Flüchtlingsfrage geschadet. "Wir schaffen das", hat sie dem Volk entgegenposaunt, als zehntausende Verfolgte Einlass begehrten - aber geschafft haben die dafür zuständigen Stellen in den letzten Monaten und Jahren nicht besonders viel. Ein Flüchtlingsdeal mit der Türkei steht auf der Habenseite, doch der ist reichlich umstritten. 

Es ist die alte Crux: Anstatt die Ursachen der Flucht zu bekämpfen, also für nachhaltige Entwicklung in der Dritten Welt oder eine Entspannung in internationalen Krisenherden zu sorgen, wird an den Symptomen herumgedoktert - in diesem Fall mit der Abschiebung oder dem Verbleib von Flüchtlingen, was jeweils mit teils elend langen bürokratischen Verfahren verbunden ist.

Was tut Merkel? Moderieren, delegieren, aussitzen. Wenn es gut läuft, war es ihr Verdienst, wenn es schlecht läuft, gibt es einen anderen Schuldigen. Das gilt nicht nur in der Flüchtlingsfrage, sondern nahezu auf jedem politischen Betätigungsfeld. Von Merkels Richtlinienkompetenz, die sie gemäß der Verfassung hat, ja gar von Enthusiasmus, ist nichts, aber auch gar nichts zu spüren. Das Gezerre um die GroKo hat - zumindest gefühlt - nahezu ohne die Kanzlerin stattgefunden. Kommt die Einigung heute nicht, kommt sie eben morgen, so ging das monatelang. Oder ist irgendjemandem ein Merkel-Machtwort in Erinnerung?

Vielleicht sind es all diese Dinge, welche die Wählerinnen und Wähler langsam leid sind. Im Nachbarland Frankreich ist ein junger Mann Präsident, und er kehrt mit eisernem Besen, bricht mit Traditionen, macht unkonventionelle Vorschläge. Nicht wenige wünschen sich so einen frischen Wind auch mal für Deutschland.

Mit Merkel ist das nicht zu machen. Sie hat den Zenit ihrer Herrschaft längst überschritten. Die letzten Jahre an den Hebeln der Macht wird sie noch irgendwie rumkriegen, das schon. Aber dann wird sie diejenigen, die jetzt schon hinter ihr laut mit den Hufen scharren, nicht mehr bändigen können. 43 Prozent der Deutschen haben das laut der Infratest-Umfrage bereits erkannt und sind Merkels Politik-Stil leid. Bis zur nächsten Bundestagswahl werden es wohl noch deutlich mehr werden.

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