Kommentar: Bernd Lucke, der Gute

9.7.2015, 14:00 Uhr
Kommentar: Bernd Lucke, der Gute

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Die "ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD" werde durch teils offene, teils latente "islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten" in ihr Gegenteil verkehrt. Parteiinterne Forderungen nach einem Austritt Deutschlands aus NATO und EU, genährt von kruden antiamerikanische Verschwörungstheorien, halte er für "falsch und verantwortungslos". Die durch (rechte) Unterwanderung schleichende Umgestaltung der Alternative für Deutschland zur schieren Wutbürgerpartei habe er "zu spät erkannt". In seiner Austritts-Erklärung findet Bernd Lucke deutliche Worte, bezieht klar Position, tritt ein für seine pluralistischen Ansichten. Er spricht endlich das aus, woran die AfD schon lange, manche meinen schon immer, krankt.

Seit ihrer Gründung vor zweieinhalb Jahren stand die AfD im öffentlichen Kreuzfeuer: Zunächst verspottet als elitärer Club neoliberaler Professoren mit nicht rostender Liebe zur D-Mark, dann beargwöhnt als Erfolgsmodell neuer deutscher Populisten und zusehends gefürchtet als rechter Wolf im bürgerlichen Schafspelz. Aus Euro- wurden Europa-Kritiker, Nationalkonservative zu "Überfremdungsängste"- Schürern, die gegen Flüchtlinge genauso Stimmung machten wie gegen Homosexuelle. Die Unterwanderung von rechtsaußen ("Aktion Doppelstimme AfD & NPD") war in vollem Gange. Und Parteichef Lucke? Hielt sich zurück, verkroch sich lieber ins dunkle, akademische Eckchen, um am Schreibtisch in wirtschaftsliberalen Theorien zu schwelgen. Keine Empörung, keine Ansagen, kein Gegensteuern.

Was folgte war die Selbstdemontage der Partei durch Austrittswellen, peinlich-öffentliches Kollegen-Mobbing, endlose Flügel- und Grabengefechte. Im Machtkampf mit der überehrgeizigen Berufsegozentrikerin Frauke Petry hatte der strebsame Lucke mit seiner Stubenhocker-Mentalität längst keine realistische Chance mehr: eine Selbstdarstellerin, die um jeden Preis nach oben will, gegen einen blassen Schnösel mit dem Charisma eines (Telefon-)Buchprüfers.

Die Zukunft der AfD ist düster. Dass die Rechten unter Petry an Einfluss gewinnen, scheint unausweichlich, dass die Partei vielen Ewiggestrigen bald nicht mehr radikal genug sein wird, spielt der NPD in die Arme. Die dezimierte AfD versinkt in politischer Bedeutungslosigkeit und mit "Weckruf 2015", seiner Splitterpartei in spe, wird Lucke genauso scheitern, weil es längst ein Sammelbecken für notorisch Neoliberale gibt, genannt FDP. Frauke, die Böse, versus Bernd, der Gute - ein Duell ohne Relevanz.

Jetzt, wo er nichts mehr zu verlieren, gewinnen und melden hat, traut sich Lucke zu Klartext und präsentiert sich als lupenreiner Demokrat. Seine Abschiedsworte sind die eines Geläuterten, der retten will, was zu retten ist. Eine Einsicht, die es vor zweieinhalb Jahren gebraucht hätte. Denn: Wer zu spät kommt, den bestraft der Wähler.
 

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