Kommentar: Das Guttenberg-Phänomen

23.2.2011, 20:34 Uhr

Vor einer Woche sind die Plagiatsvorwürfe aufgetaucht. Vier Tage hat es gedauert, bis Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg darauf in der richtigen Weise reagiert hat: mit Einsicht und Demut. Davor hat er alle Fehler gemacht, die man in seinem solchen Fall machen kann. Obwohl ihm die Schwere der Verfehlung hätte klar sein müssen, bezeichnete er die Vorwürfe zunächst als abstrus; dann gab er vor handverlesenen Journalisten eine nassforscher Erklärung ab; gleichzeitig brüskierte er die Bundespressekonferenz, wo ein hilfloser Sprecher seines Ministeriums zur Lachnummer wurde.

Guttenberg, der so instinktsicher an seiner Karriere gestrickt hat, war offenbar Medienberatern aufgesessen, die ihm Angriff empfohlen hatten, wo Rückzug, Sammeln, Kraftschöpfen die richtige Strategie gewesen wären. Mit seiner gestrigen Erklärung hat er ein Strategem angewandt, das ihm wahrscheinlich das Amt erhält und ihn in ein ruhigeres Fahrwasser bringt.

Dass ihn die unrühmliche Geschichte bis ans Ende seiner politischen Laufbahn verfolgen und immer wieder aufs Tapet gebracht wird, dürfte ihm klar sein. Einer, der so oft die Werte Ehrlichkeit und Geradlinigkeit im Munde geführt hat, wird daran gemessen. Warum er dann nicht zurückgetreten ist?

Guttenberg durfte nicht. Die Kanzlerin steckt lieber diese Affäre weg, als sich von neuem auf die Suche nach einem Verteidigungsminstier machen zu müssen. Auch Parteichef Seehofer hat nun den Sympathieträger im Griff. Ministerpräsident kann der mit so einem Makel nicht mehr werden und Kanzler schon gar nicht.

Wie kommt es aber, dass ein Politiker, dem das Schlimmste passiert, was einem Menschen in anderen Kulturkreisen passieren kann – sein Gesicht zu verlieren – hierzulande sogar noch seine Sympathiewerte steigert? Zwei Dinge haben seine Kritiker und Neider nicht bedacht.

Erstens: Den Rückhalt, den Guttenberg nach wie vor bei den Soldaten hat. Sie sehen in ihm einen Politiker, der die Lage in Afghanistan realistisch betrachtet; der in der richtigen Mischung aus Pathos und Nüchternheit ihren Einsatz bewertet; dem sie zutrauen, ihre immer aussichtslosere Mission eines Tages zu beenden.

Zweitens: Den Rückhalt in jenem Teil der Bevölkerung, dem akademische Titel und deren Erwerb weitgehend egal sind. Dort spielen vor allem sein Auftreten, seine Rhetorik, der Mythos des alten Adels eine Rolle. Und das alles versteht Guttenberg sehr wohl auszuspielen.

Wenn es einen positiven Aspekt in dieser Sache gibt, dann den, dass endlich Licht auf einen spärlich ausgeleuchteten Bereich der Wissenschaft fällt. Das Klauen bei anderen ist absolut kein Kavaliersdelikt. Das wurde jetzt ein für alle mal deutlich gemacht.

Die schlimmste Strafe für Karl- Theodor zu Guttenberg ist nicht einmal die Aberkennung seines Doktortitels durch die Universität Bayreuth. Es ist die Schmach, bei jeder Prunksitzung dieses Faschings durch den Kakao gezogen zu werden.

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