Kommentar: Das öffentliche Messerwetzen in der CSU

8.10.2018, 12:46 Uhr
Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Chef Horst Seehofer schieben sich vorsorglich schon einmal den schwarzen Peter für das drohende Wahldebakel bei der Landtagswahl zu.

© dpa Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Chef Horst Seehofer schieben sich vorsorglich schon einmal den schwarzen Peter für das drohende Wahldebakel bei der Landtagswahl zu.

Der Tag nach einer krachenden Wahlniederlage ist traditionell der Moment der gnadenlosen Abrechnung. Die Suche nach inhaltlichen Gründen wird dann gerne auf die lange Bank der "gründlichen Analyse" geschoben. Schneller funktioniert die personelle Schuldzuweisung. Mehrheiten für den Sturz des Wahlverlierers werden organisiert, neue Führungskandidaten bringen sich in Stellung. In solchen Stunden geht es hinter den Kulissen rustikal zu. Zartbesaitete werden deshalb in der Politik nie eine Chance haben.

Was man selten erlebt, ist, dass schon vor einer Wahl parteiintern die Debatte darüber beginnt, wer an der bevorstehenden Niederlage schuld ist. Und noch seltener ist es, dass eine solche Diskussion öffentlich geführt wird. Denn das kommt Selbstmord aus Angst vor dem Tod gleich.

In der CSU sind eine Woche vor der Landtagswahl Panik und gegenseitige Abneigung offenbar so groß, dass man mit dem Messerwetzen dennoch schon mal begonnen hat. Ministerpräsident Markus Söder teilt mit, dass die katastrophalen Umfragewerte seiner Partei "unglaublich geprägt werden durch die Berliner Politik". Und der dort mitregierende CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer versäumt in keinem Interview mehr, darauf hinzuweisen, dass die Wahlkampfführung in Bayern "das persönliche Vorrecht des Ministerpräsidenten Markus Söder" sei. Das klingt nobel und ist angesichts der derzeit prognostizierten 33 bis 35 Prozent nur grob gemeint.

Verlogene Inszenierung

Der seit sechs Jahrzehnten in Bayern regierenden CSU fliegt schon vor dem 14. Oktober die im letzten September beim Parteitag in Nürnberg als verlogene Harmonie-Inszenierung vorgenommene Machtteilung zwischen zwei in inniger Feindschaft verbundenen Egomanen um die Ohren.

Die Christsozialen, die so stolz darauf sind, dass der Strukturwandel Bayerns vom Agrarstaat zum modernen, prosperierenden Technologie-Land unter ihrer politischen Verantwortung vollzogen wurde, sind an einem Tiefpunkt angelangt. Und ihre plötzliche Talfahrt hat kurioserweise viel zu tun mit dem in der Partei lange Zeit verbreiteten Gefühl der Unbesiegbarkeit. Denn bei der Verteidigung ihrer eigenen Macht hatten es die CSU-Regenten weniger mit der Konkurrenz anderer Parteien als mit ungeduldig nachdrängenden Leuten aus den eigenen Reihen zu tun.

Stoibers gelehriger Schüler

Solcher Wettbewerb wird aber im seltensten Fall inhaltlich geführt. Wer da siegen will, muss nicht die besseren Ideen, sondern das dichtere Netzwerk in der eigenen Partei und den besseren Killerinstinkt haben. Diese Qualitäten wird Markus Söder niemand absprechen. Er war ein gelehriger Schüler seines Mentors Edmund Stoiber. Der hat einst im Machtkampf mit Theo Waigel um die Nachfolge des über die Amigo-Affäre gestürzten Max Streibl vorgemacht, wie nützlich es sein kann, wenn man skrupellos genug ist, Geschichten über Eheprobleme des Konkurrenten zu instrumentalisieren.

Auf Erlebnisse solcher Qualität geht Seehofers Abneigung gegenüber Söder zurück. Deshalb hielt er ihm öffentlich "Schmutzeleien" und "charakterliche Schwächen" vor. Viele in der CSU fanden Seehofers Äußerungen seinerzeit stillos. Zu einem inhaltlichen Widerspruch, zu einer Ehrenrettung Söders raffte sich niemand auf.

Mit tausend Initiativen und großzügigem Geldverteilen hat der Ministerpräsident Wahlkampf geführt. Mit dem Kreuz in der Hand, mit rechten Kampfbegriffen in der Flüchtlingspolitik, mit dem Verkünden des Verzichts auf solche Rhetorik, mit soften Versöhnungstönen und zuletzt mit dem beschwörenden Verweis auf die Großartigkeit Bayerns.

Wofür Söder steht, weiß man nicht recht. Warum die CSU in der Krise ist, dagegen schon.

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