Kommentar: Der Fall Maaßen zeigt Seehofers Schwächen

18.9.2018, 20:10 Uhr
Sehen sich demnächst wohl öfter im Bundesinnenministerium: Horst Seehofer und Hans-Georg Maaßen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa Sehen sich demnächst wohl öfter im Bundesinnenministerium: Horst Seehofer und Hans-Georg Maaßen.

Das ist typisch Merkel: Sie sucht bei Konflikten nach einem gangbaren Ausweg und geht ihn dann - egal, ob das jetzt durchdacht wirkt oder, wie in diesem Fall, nur als unplausible Notlösung daherkommt. Denn wenn ein Beamter so viele gravierende Fehler gemacht hat wie Hans-Georg Maaßen, bisher Präsident des Verfassungsschutzes, dann gibt es keinen auch nur ansatzweise überzeugenden Grund, ihn zu befördern. Genau das aber passiert mit Maaßen - weil es die einzige Möglichkeit war, damit Innenminister Seehofer sein Gesicht wahrt und zugleich die Forderung der SPD nach einer Ablösung erfüllt wird. Es ging um einen wackligen Frieden in einer ebenso wackligen Koalition, nicht um eine sachlich begründete und damit nachvollziehbare Lösung.

In einer normalen Regierung läuft das anders, wenn die Kanzlerin und ein Koalitionspartner das Vertrauen in einen Behördenleiter verlieren: Sie wenden sich an den zuständigen Ressortchef und der versetzt den Mann in den Ruhestand. Punkt. Gründe gab es bei Hans-Georg Maaßen reichlich; er wollte zum Beispiel die Politik von Angela Merkel konterkarieren und befeuerte Verschwörungstheoretiker nach dem Totschlag in Chemnitz, verübt mutmaßlich von einem Iraker.

Doch wie zerrissen diese Regierung ist, wie tief besonders die Kluft zwischen Merkel und Maaßens Vorgesetztem Horst Seehofer ist, zeigt sich im Verhalten des Ministers: Er stellte sich gleich mehrfach hinter den Chef des Verfassungsschutzes, so schwach dessen Rechtfertigungen auch waren.

Einst kraftvoll

Horst Seehofer ist auch die zentrale Figur dieses Konflikts. Er war, daran muss man sich erinnern, einmal ein kraftvoller Politiker, als Gesundheits- und Landwirtschaftsminister und in seinen ersten Jahren als bayerischer Ministerpräsident. Er überzeugte durch Wissen, Rhetorik sowie häufig durch Charme und Witz. Er ist heute ein Schatten seiner selbst, und das mag mit gesundheitlichen Problemen zu tun haben, die ihm jetzt auch öffentlich zugeschrieben werden.

Die Liste seiner Fehler ist lang, und man kann auf die Idee kommen, dass ihn das Innenministerium überfordert und er deshalb außer Kontrolle geraten ist. Er wollte das Ressort ja selbst um die Bereiche Bau und Heimat ergänzen - und so geschah es dann auch. Doch schon der Bereich Innere Sicherheit ist aufreibend genug; Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière hat einmal gesagt, dass es nicht jedermanns Sache sei, immer mit eingeschaltetem Handy zu schlafen, um bei einem Anschlag schnell informiert zu werden.

Den Instinkt verloren

Horst Seehofer jedenfalls hat seinen politischen Instinkt, seine Fortune verloren. Das begann spätestens mit seiner abstrusen Idee, er könne allein die Zurückweisung bestimmter Asylbewerber an bayerischen Grenzen anordnen. Dafür hat er sogar den Bruch der Koalition riskiert und musste mühselig eingefangen werden. An Reputation hat er schon damit, auch in der CSU, dramatisch eingebüßt. Dann kam seine unsägliche Bemerkung über 69 Afghanen, deren Abschiebung er zu seinem 69. Geburtstag nicht bestellt habe. Das ist schlicht geschmacklos und darf einem verantwortlichen Politiker nicht passieren - ebenso wenig wie seine überhastete Festlegung im Fall Maaßen. Der Innenminister wird ein Risikofaktor im Kabinett bleiben - und die spannende Frage ist, wie lange das seine Partei, die CSU, noch mitspielt. In den Umfragen schadet ihr das bekanntlich massiv.

Wenn es doch noch etwas Positives im Fall des Hans-Georg Maaßen gibt, dann das: Die AfD behauptet stets, dass Merkel-Kritiker mundtot gemacht werden. Nein, ganz und gar nicht. In diesem Fall wurde einer befördert und bekommt nun statt etwa knapp 11.600 Euro monatliches Grundgehalt zukünftig rund 14.200 Euro.

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