Kommentar: Die CDU steht vor den Ruinen der Ära Merkel

12.2.2020, 09:45 Uhr
In der Ära Merkel schien es so, dass eine Partei gar kein Programm mehr braucht, um zu regieren, findet NN-Redakteur Alexander Jungkunz.

© Michael Kappeler/dpa In der Ära Merkel schien es so, dass eine Partei gar kein Programm mehr braucht, um zu regieren, findet NN-Redakteur Alexander Jungkunz.

Vermutlich nicht, wenn es nun erst und vor allem wieder nur um Namen geht und nicht um Inhalte. Klar, die CDU braucht wieder eine(n) Vorsitzende(n), CDU und CSU brauchen einen Kanzlerkandidaten. Wie man eine gut gemeinte, schlecht gemachte Kür der Parteispitze durch die Basis verpatzen kann, das hat die SPD mit ihrer Never-Ending-Kandidaten-Tour vorgemacht, samt sehr bescheidenem Ergebnis.


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Die CDU muss rasch ihr programmatisches Vakuum wieder füllen, das seit Jahren gewachsen ist. In der Ära Merkel schien es so – und das war von der Kanzlerin durchaus gewollt –, dass eine Partei gar kein Programm mehr braucht, um zu regieren. Damit trieb sie jene Macht-Fixierung auf die Spitze, die der CDU schon immer weit wichtiger war als der SPD mit ihren oft selbstzerfleischenden Querelen.


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Vor denen aber steht nun die CDU. Sie kann sich nicht mehr drücken, weil die Partei nun erlebt, wohin es führt, Konturlosigkeit zum einzigen Markenzeichen zu machen. Angela Merkel versuchte gezielt, das Interesse an Politik herunterzudimmen. "Asymmetrische Demobilisierung" hieß das: dafür sorgen, dass Anhänger anderer Parteien möglichst wenig Grund sehen, zur Wahl zu gehen. Das ging lange gut, auch weil die Wirtschaft boomte. Doch auf Dauer lässt sich ein Land nicht ruhig halten.

Zwei Themen vor allem sorgten für eine Re-Politisierung der Republik, der die Merkel-CDU ratlos zuschaute: Zum einen der Klimawandel, auf den die Kanzlerin keine überzeugende Antwort fand. Davon profitieren die Grünen, die angesichts der CDU-Krise nochmal zulegen könnten.

Zum anderen die Zuwanderung samt der Flüchtlingskrise 2015: Dass Merkel die Grenzen nicht schloss, brachte ihr bei bisherigen Gegnern Sympathien. Doch die teils grotesk überzeichneten Schattenseiten dieses humanitären Akts samt des Eindrucks eines Kontrollverlusts waren für viele Konservative ein Trauma, das sie zur AfD trieb – einer Partei, die auch vom Hass gegen Merkel lebt, den sie schürt.

 

Wie steht die CDU zu dieser Partei? Das ist offen, es ist zu klären. Wie sehen die Rezepte der CDU für ein Land im digitalen Wandel und mit oft maroder Infrastruktur aus? Klare Antworten fehlen. Streit darüber mit der politischen Konkurrenz wäre weitaus sinnvoller als jenes leichtsinnige gegenseitige Nachtarocken, wer denn nun warum für das Debakel von Erfurt verantwortlich war. 

Die Volksparteien stecken auch in der Krise, weil sie ihre Gegner nicht ernst genug nahmen. Die aber meinen es bitter ernst mit ihrem Ziel, die parlamentarische Demokratie auflaufen zu lassen.

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