Kommentar: Donald Trump, der Wahlkampf-Präsident

21.1.2017, 19:10 Uhr
Kommentar: Donald Trump, der Wahlkampf-Präsident

© Reuters/Carlos Barria

"The work begins": So endete die letzte Twitter-Meldung des Privatmanns Donald Trump, bevor er vereidigt wurde als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika - "Die Arbeit beginnt".

In der Tat: Nun zählen neben seinen Worten vor allem seine Taten, an denen er sich messen lassen muss. Es ist deshalb sicher zu früh für eine Bewertung des Präsidenten Trump. Seine Anhänger, die er ja auch in Deutschland hat, sagen: Lasst ihn doch erst mal machen ...


Das hat er gesagt: Die Antrittsrede von Donald Trump im Wortlaut


Aber: Trump hat bereits in den Wochen vor der Amtsübernahme mit nahezu allen Äußerungen das genaue Gegenteil von dem getan, was er nun als eines seiner Ziele verkündet hat. Er wolle Amerika, dieses gespaltene Land, wieder vereinen.

Ja, die USA waren bereits vor seinem Sieg eine aufgewühlte Nation. Trump tat jedoch alles, um diese Spaltung zu vergrößern. Das wohl vielsagendste und beste Beispiel dafür lieferte Meryl Streep mit ihrer Rede bei der Verleihung der Golden Globes - vielsagend, weil dabei gleich mehrere Eigenschaften des neuen US-Präsidenten sichtbar wurden.

Die Schauspielerin berichtete berührend, es habe ihr das Herz gebrochen, wie Trump einen anderen, ihm weit unterlegenen Menschen öffentlich gedemütigt habe. Streep schilderte die Szene: Trump hatte im Wahlkampf einen behinderten Reporter nachgeäfft, der kritisch über ihn berichtet hatte. "Dieser Instinkt, andere zu demütigen, zieht sich in den Alltag von uns allen", warnte Streep. Und: "Respektlosigkeit lädt zu Respektlosigkeit ein, Gewalt animiert zu Gewalt."

Was Meryl Streep offenlegte

Trumps Reaktion war der handfesteste Beweis für Streeps Thesen: Er behauptete, den Reporter gar nicht nachgeäfft zu haben, obwohl die Szene im Netz zu sehen ist - er tat also, was ihm in unzähligen Fällen nachgewiesen wurde: er hat gelogen. Und: Er attackierte Meryl Streep, die es gewagt hatte, ihn zu kritisieren. Die kindisch wirkende Rache des offensichtlichen Egomanen, des verletzten Narzissten: Trump twitterte über Streep, sie sei "eine der überbewertetsten Schauspielerinnen in Hollywood" und eine Gehilfin von Hillary Clinton. Der Mann ist unfähig, Kritik auszuhalten, er reagiert beleidigt auf jede Satire-Show, die ihn ins Visier nimmt. Er teilt aus, er greift an, er demütigt andere und grenzt sie aus - aber er ist eine Mimose, wenn andere ihn, und sei es noch so berechtigt, kritisieren.


Kommentar: Was wäre, wenn... die Trump-Prognosen irren?


Trump lebte bisher in seinem eigenen Turm, dem Trump Tower - und auch in seiner eigenen Welt. Er setzte auf Medien, die ihm dienten oder die er selbst bediente: auf zweifelhafte Lieferanten verfälschter Nachrichten wie den Internetkanal "Breitbart", dessen Chef Steve Bannon er zu seinem höchsten Berater machte. Oder er twittert seine Sicht der Dinge gleich selbst, auch jetzt als Präsident - wobei er den Wahlkampf fortsetzt.

Er ist nun aber ein Akteur, dessen Worte oder Tweets Aktienkurse in den Keller schicken oder ernste Krisen auslösen können. Dabei wird ihn die ganze Welt beobachten - auch jene Medien, denen er den Kampf angesagt hat. Er fordert sie, er fordert uns damit auch heraus - dazu, ihn genau zu beobachten, kritisch, analytisch, gelassen und auch mit jener Fairness, die er gegenüber Kritikern niemals an den Tag legt.

Er will es allen zeigen

Auch in seiner aggressiven, keineswegs versöhnlichen Antrittsrede im Dauerwahlkampfmodus kokettierte er mit seiner Distanz zu "den" Politikern. "America first", heißt sein einziges, gefährliches, simples Rezept. Dass es keinen Experten gibt, der auf Nationalismus, Rückzug, Abkehr vom Welthandel setzt: Das ficht Trump nicht an, im Gegenteil, es entfacht seinen Ehrgeiz bei jenem Versuch, es allen zu zeigen. Das ist sein Experiment, das er startet wie eine Art Spiel oder Mutprobe.

Wie das ausgeht? Wir wissen es nicht, aber wir müssen den 45. Präsidenten der USA bitterernst nehmen, weil sein Tun Folgen weit über Amerika hinaus hat. Er trat bisher stets als Prahlhans, Aufschneider, auch als Lügner auf. Zu harte Worte? Nein: Wenn es in der Debatte um politische Korrektheit heißt, man werde doch wohl dies oder jenes noch sagen dürfen - was man ja auch darf -, dann muss dies auch für die Beschreibung Trumps gelten. Und er hat sich ohne Zweifel bisher vor allem in den oben genannten Rollen gezeigt, mit Eigenschaften, die mit Werten wie Fairness, Anstand, Mitmenschlichkeit eher wenig zu tun haben.

Man wird also jenen notorischen Lügner und Laut-Töner, der Trump bisher war, auch so nennen dürfen, ja müssen. Denn gegen seine Versuche, die Realität umzudeuten, hilft nur eines: das alte, anstrengende Bemühen um Fakten, Information, Aufklärung - so sehr dies den Trump-Anhängern missfällt, so sehr sein Imperium dies auch bekämpft.

Kann sein, dass er Erfolg hat, wider alle Erwartungen. Kann aber auch sein, dass das Experiment so ausgeht wie in Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Da schwätzen clevere Schneider einem eitlen Regenten ganz besondere Kleider (oder Worthülsen) auf - die sich rasch als Luft, als nichts entpuppen. Doch alle feiern ihn beim Umzug - bis ein Kind die Selbsttäuschung entlarvt mit dem Ruf: "Aber er hat ja gar nichts an!"

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