Kommentar: Donald Trump hat Kreide verschlungen

1.3.2017, 11:01 Uhr
Bei seiner Rede im Kongress hat Trump andere Töne angeschlagen als sonst.

© AFP PHOTO / POOL / JIM LO SCALZO Bei seiner Rede im Kongress hat Trump andere Töne angeschlagen als sonst.

Man darf sich ruhig verwundert die Augen reiben: US-Präsident Donald Trump, bisher die personifizierte politische Aggressivität, setzt auf Versöhnung, bietet den Demokraten Zusammenarbeit an und geht sogar auf die Linke der Vereinigten Staaten zu. Er kann sich nämlich jetzt bezahlte Kinderbetreuung und Elternzeit vorstellen. Vor seiner Rede im Kongress hat er, man mag es kaum glauben, schon Fehler eingestanden - er, der sich offenbar für den großartigsten Politiker auf Gottes Erdboden hält. 

Zwei Erklärungen gibt es für diesen Wandel, die sich nicht unbedingt widersprechen müssen, sondern ergänzen können. Trump braucht einerseits die Zustimmung der Republikaner im Kongress, um einige seiner Wahlversprechen umzusetzen: Beispielsweise muss das Parlament die Ausgaben für den Bau der Mauer - vielleicht wird es auch nur ein Zaun - ebenso absegnen wie für die Aufrüstung des Militärs. Und die Steuern wie versprochen senken kann er auch nicht per Dekret. Dass viele Republikaner unter ihrem Präsidenten leiden, ist ein offenes Geheimnis; da kann ein eher diplomatischer Auftritt nur helfen.

Trump neigt andererseits  zu extremer Selbstverliebtheit; er braucht den Jubel des Publikums wie die Luft zum atmen. Mit den üblichen Pöbeleien, mit Attacken auf Medien, Justiz oder Nato-Partner, hätte er im Kongress weitgehend peinlich berührtes Schweigen geerntet. Eine solche Schmach aber hält sein Narzissmus  nicht aus.

Signalisiert dieser Auftritt jetzt einen Wandel in Auftritt und Strategie des US-Präsidenten? Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch sehr hoch ist die Wahrscheinlichkeit nicht. Trump hat sich bisher schon extrem flexibel gezeigt, was seine Positionen anging: Die Nato hatte er, nur zum Beispiel, schon als obsolet bezeichnet, jetzt in hohen Tönen gelobt. Geblieben ist er dagegen bei seiner harten Haltung gegenüber illegalen Einwanderern.

Trump wird, so steht zu befürchten, weiter das sagen, was seinen politischen Zielen nutzt und sich dabei nicht um seine Aussagen von gestern scheren. Und er wird sich so präsentieren, dass seine persönlichen Eitelkeit befriedigt wird. Denn ein Leopard, sagt ein englisches Sprichwort, kann seine Flecken nicht ändern.

Verwandte Themen


1 Kommentar