Kommentar: Keine Angst vor Trump!

22.1.2017, 19:50 Uhr
Haben mehr gemeinsam, als es scheint: Donald Trump (links) und Vorgänger Barack Obama.

© AFP Haben mehr gemeinsam, als es scheint: Donald Trump (links) und Vorgänger Barack Obama.

Im Herzen Washingtons hat ein Mann Platz genommen, der aufräumen will mit eben jenem System Washington. Der eine neue Art von Politik beschwört, von der endlich alle profitieren sollen und nicht nur eine kleine Machtelite. Ein Mann, der ins Weiße Haus getragen wurde nicht von einer Laune am Wahltag, sondern von einer Bewegung, die große Teile des amerikanischen Volks erfasst hat.

Nun ist es zunächst wenig überraschend dass dieser Mann, von dem hier die Rede ist, Donald Trump heißt. Allerdings gab es schon einmal einen Mann, auf den obige Beschreibung genauso passte, einen Mann, der es damals ebenfalls bis ins Weiße Haus schaffte. Acht Jahre ist das her. Dieser Mann hieß Barack Obama.

Donald Trump und Barack Obama, zwei Männer vom gleichen Schlag? Das mag abwegig klingen, es ist ja auch abwegig, wenn man sich auf den Vergleich ihrer (diametral verschiedenen) Programme und Persönlichkeiten beschränkt. Und doch haben sie dies eine gemeinsam: Sie inszenieren sich als Anti-Politiker außerhalb des „Establishments“, als Männer des radikalen Wandels in einer Zeit des Auseinanderdriftens von Arm und Reich, von Chancenlosen und von Geburt an Begüterten.

An die Hoffnungen, die Barack Obama mit seiner Botschaft des Wandels („Change we can believe in“) auslöste, erinnern sich die meisten noch gut. Wenig aber an die Ängste, die mit seiner Präsidentschaft verbunden waren, die Ängste derer, die ihn nicht wählten; für die etwa seine Pläne von einer verpflichtenden Krankenversicherung wie ein weiterer Angriff eines unersättlichen Staates auf ihre Freiheit wirken musste.

Hoffnungen und Ängste

Hoffnungen und Ängste, sie löst auch die Präsidentschaft Donald Trumps aus. Über die Ängste ist viel geschrieben worden, sie reichen von der Persönlichkeit Trumps bis zu seinen teils irrwitzigen Plänen. Übersehen werden aber oft die Hoffnungen, manchmal auch die inzwischen verzweifelten Wünsche derer, die Trump ihre Stimme gaben. Die ihn wahrscheinlich nicht einmal deshalb wählten, weil sie ernsthaft glaubten, er würde in ihrem Sinne Politik machen, sondern weil sie damit ihrer Abscheu Ausdruck verleihen konnten gegen eine Demokratie, die das Gemeinwohl aus den Augen verloren hat. Dass jemand 2008 Obama und 2016 Trump wählte, ist vor diesem Hintergrund also gar nicht so überraschend.

Diese Parallelen sagen viel darüber aus, in welcher Vertrauenskrise das politische System der Vereinigten Staaten steckt; aber auch darüber, was denn zu erwarten ist für die Trump-Präsidentschaft. Denn misst man Obama an seinem Anspruch, einen Wandel herbeizuführen, dann ist er ein Gescheiterter, ein Zurechtgeschliffener.

Wenig Grund für Hysterie

Oft wird der US-Präsident als mächtigster Mann der Welt bezeichnet. Dabei zielt die amerikanische Demokratie gerade darauf ab, die Tyrannei eines Einzelnen zu verhindern mit ihrem fein austarierten System der „checks and balances“, der gegenseitigen Kontrolle der Verfassungsinstitutionen. Obamas Macht fand ihre Grenzen am Kongress, am Obersten Gerichtshof. Dort wird auch Trumps Macht ihre Grenzen finden.

Die amerikanische Demokratie mag Wandel erschweren, sie zeigt sich seit mehr als 200 Jahren aber auch erschütterungsfest gegenüber den Launen einzelner Präsidenten. Für die Hysterie, die Trumps Amtsantritt begleitet – und die er freilich auch selbst schürt mit seinen Ausfällen, die eines Präsidenten nicht würdig sind – , für diese Hysterie gibt es also wenig Grund.

Das amerikanische Volk hat in demokratischer Abstimmung Donald Trump die Führung des Landes übertragen. Mit allem Recht darf man skeptisch sein, ob er dafür der richtige Mann ist. Angst braucht man aber keine haben.

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