Kommentar: Land der Billigesser wird sich nicht verändern

19.3.2019, 12:58 Uhr

Deutschland ist kulinarisches Entwicklungsland: Jedes zweite Kinderessen in Restaurant und Wirtshaus kommt mit Pommes, hingegen ist Vollkorn vollkommen unauffindbar auf den eigens für die Kleinen kreierten Tellern, wie Forscher der Uni Heidelberg herausgefunden haben.

Weil mittlerweile 15 Prozent der Kinder hierzulande als übergewichtig gelten, will Ernährungsministerin Julia Klöckner jetzt ran an die Kindergerichte. Also trifft die CDU-Politikerin sich heute mit Gastro-Vertretern, "um Chancen auf eine gesündere Auswahl für junge Restaurantgäste auszuloten", wie es in einem Vorabbericht heißt. Im Klartext: Es geht um freiwillige Maßnahmen, staatliche Eingriffe sind nicht zu erwarten.

Weder Zuckersteuer noch Lebensmittel-Ampel

Das wäre auch eine Überraschung, denn so läuft es meistens. Aus Furcht, sich wie die Grünen – ob zu recht oder nicht – ein zweifelhaftes Image als Verbotspartei zu erarbeiten, schrecken die Unionsschwestern, die seit Jahrzehnten mit wenigen Ausnahmen das zuständige Ministerium besetzen, vor klaren Regeln zurück.

So lehnt Klöckner wie ihre Vorgänger eine Lebensmittel-Ampel genauso ab wie eine Zuckersteuer. Anders als in anderen europäischen Ländern ist es auch weiterhin erlaubt, mit speziell auf Kinder zugeschnittenen Fernsehspots oder Social-Media-Videos für ungesunde Produkte zu werben – trotz anderslautender Ratschläge von Ernährungsexperten und Krankenkassen. 

Stattdessen setzt Klöckners Haus auf die "Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten", die ab diesem Jahr bis 2025 umgesetzt werden soll. Die Industrie setzt sich dabei "Zielvereinbarungen" für ein paar Prozent weniger ungesund - wieder mal alles möglichst unverbindlich.

Lasst den Kindern doch ihre Softdrinks!

Ärzte haben kritisiert, dass es dabei nur um – sicher sehr beliebte – Fertiggerichte wie Pizza geht, extrem gezuckerte Softdrinks aber ausgespart werden. Und das, obwohl es in der Strategie selbst heißt, "dass besonders Kinder und Jugendliche einen hohen Anteil an zugesetztem Zucker und zusätzlichen Kalorien über alkoholfreie Erfrischungsgetränke zu sich nehmen".

 

Als Grund wird die Sorge um den Mittelstand, kleine Betriebe und das Lebensmittelhandwerk vorgeschoben, die "nicht über die gleichen Möglichkeiten wie große Unternehmen, in Forschung zu investieren, Rezepturen zu ändern oder Rohstoffauswahl und Produktion im Sinne der Strategie zu optimieren" verfügten.

Eltern müssen selbst Verantwortung übernehmen

Wenn also schon die von großen Akteuren beherrschte Lebensmittelindustrie von Regeln zum Schutz der Kleinsten verschont bleibt, wird wohl kaum jemand nun von Wirten und Köchen erwarten, dass sie auf Pommes und Chicken Nuggets verzichten – diese kommen bei den Kids nicht nur gut an, sie kosten auch kaum was und sind leicht zuzubereiten. Und diese Argumente ziehen im Land der Billigesser nach wie vor. 

Von der Regierung ist dabei momentan wenig Neues zu erwarten – was die Verantwortung der Eltern, ihrem Nachwuchs gesunde Ernährung schmackhaft zu machen, umso größer werden lässt.

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